Triggerwarnung:
In diesem Beitrag wird über Blut gesprochen. Weibliches Blut. Wenn du das nicht lesen willst, lies diesen Blog bitte nicht oder nicht alleine.
*räusper*
Echt jetzt?
Gerade noch habt ihr am Granatapfelsaft genippt, und jetzt DAS?
Gibt es denn gar kein Tabu-Thema mehr hier?
...
Tut mir echt voll Leid, da müsst ihr jetzt durch.
Ich verspreche auch, keine farbenprächtigen und plastischen Beschreibungen abzuliefern. Keine Details aller Art, kein Ausschmücken und kein "Ekelzeugs".
Was das alles in einem Krebs-Blog verloren hat - dazu komme ich noch.
Wie ihr wisst, lebe ich seit einiger Zeit mein Leben als Mann. Seit einem knappen Monat auch mit behördlicher Absegnung.
Seitdem ist vieles anders geworden, und das meiste besser.
Unterm Strich kann ich vor allem eines sagen:
Ich bin jetzt endlich ICH.
Mein Umfeld bemüht sich redlich, mich in allen Belangen zu unterstützen, nennt mich beim richtigen Namen und ist nicht nur "tolerant" (mag ich nicht sonderlich, das Wort), sondern auch interessiert.
Ich kann mich echt nicht beklagen... gerade auch, weil ich von meinem (relativ) neuen Bekannten- und Freundeskreis auch negative und teils sehr bittere Berichte kenne.
Es geht also voran, das zweite Gutachten wird bald auf Schiene gebracht, und früher oder später wird sich auch herausstellen, ob meine Stimmbänder und der Gesichtshaarwuchs deutliche Veränderungen erfahren dürfen.
Es ist ja keine "g'mahde Wiesn", sich mit Hormonen zu pimpen, wenn man mal Krebs mit Hormonbeteiligung hatte (andere Hormone zwar, aber trotzdem).
Daher stütze ich mich stark auf fachliche Expertise und Begleitung, doch diese Mühlen mahlen (derzeit noch) langsam.
Vorerst schlurfe ich also täglich mehrmals, ganz selbstverständlich, in öffentliche Männerklos, nerve öffentliche Ämter mit meiner Hartnäckigkeit, "Frau Marco Sch." oder den vorherigen Vornamen nicht akzeptieren zu wollen und verirre mich im Dickicht neuer Mailadressen, Passwörter und kopfschüttelwürdiger Umständlichkeiten, die mir meinen neuen Weg mitunter auch erschweren.
Hinzu kommt, und das ist nichts Unwesentliches:
Nicht nur mein Umfeld muss sich an die neue Situation gewöhnen - auch ich selbst muss es, und auch wenn es nun genau das ist, was ich mir gewünscht habe, so brauche ich selbst auch Zeit, mich in allem "einzufinden".
Obwohl es paradox ist, nehme ich jetzt erst so richtig wahr, was es heißt, Geschlechtsdysphorie zu erleben.
Geschlechtsdysphorie oder Genderdysphorie ist die Nicht-Übereinstimmung des biologischen und des tatsächlich (psychisch) gefühlten Geschlechts. Das führt zu mehr oder weniger großem Leidensdruck.
Ich selbst habe das die meiste Zeit verdrängt.
Seit meinem Outing und der "Befreiung" meines richtigen Ichs ist vieles präsenter, was lange Zeit verschüttet war ... und damit auch die Dysphorie.
Ich merke jetzt, wie sehr es mich stört, "falsch" gelesen zu werden, und wie es sich in mir "spießt", wenn mich jemand falsch anspricht - auch wenn das versehentlich oder in Unwissenheit geschieht.
Es hat mit dem zu tun, was ich hinter mir gelassen habe. Es hat nichts mit Ablehnung meinerseits zu tun... aber es ist schlicht nicht mehr da. Wenn es dann doch mal aufploppt, fühlt es sich nicht mehr stimmig an, tut mitunter sogar weh.
Es ist schwer zu beschreiben.
Und dann passiert auch noch genau das, was sich für einen Mann wie ein Super-GAU anfühlt.
Er blutet.
Ich blute.
Hallo Weiblichkeit, da bist du ja ... immer noch.
Wer hat dich eingeladen?
Bin ich dich nicht eigentlich schon losgeworden?
Falsch gedacht.
Ausgerechnet jetzt.
Kurzer Einschub (und regelmäßige Leser wissen es): Zehn Jahre lang habe ich, um das Brustkrebs-Rezidiv-Risiko zu senken, eine antihormonelle Medikamenten-Therapie gemacht, die mich in den künstlichen Wechsel verfrachtet hat.
Das verhieß zwar eine ganze Latte an Nebenwirkungen, aber auch lange Jahre blutungsfreier Freuden.
Eierstöcke, die pennen, und eine Gebärmutter, die Ruhe gibt.
Bis auf ganz zu Beginn und ganz am Ende. Aber kleine Eingriffe haben da geholfen.
Ich habe die letzte Tablette vor einem halben Jahr genommen, aber es war ganz stark davon auszugehen, dass meine (*Augen verdreh*) fruchtbaren Zeiten ein für alle Mal hinter mir liegen.
NÄNÄNÄNÄNÄÄÄÄNÄÄÄÄÄHHHHHHH!!!!!
I R R T U M!!!!!
Was sich zwei Wochen zuvor mit einer Art "Eisprung-Gefühl" schon vorangekündigt - was ich aber noch als Einbildung abgetan hatte - bahnte sich seinen - ähem - Weg durch meine Eingeweide und rief zum Schluss als lautes Signal aus:
ROT! ROT! ROT!
- Und ich wusste:
Die Frau in mir ist noch nicht fertig mit mir.
Vielleicht kann man es sich vorstellen, auch wenn ich hier herumklamauke und wie so oft Selbstironie ausübe:
Es ist überhaupt nicht lustig.
Wenn ich ehrlich bin, ist es sogar richtig schlimm.
Ich kaufe mit Todesverachtung Damen-Hygieneartikel, gehe - derzeit - wieder auf's Frauenklo (aus verständlichen Gründen) und werde mit jedem Unterleibsziehen und jedem noch von früher vertrauten "Hantieren" an etwas erinnert, was ich zwar biologisch noch bin, aber nicht mehr sein will und auch nie wirklich war.
Es geht mir damit nicht gut, und es bringt mich gerade wieder ganz weit weg von meinem ICH.
Ich merke es in vielerlei Hinsicht.
Klar... es ist nur temporär, und auch wenn die (nicht medikamentösen, also natürlichen) Wechseljahre nur noch eine Frage der Zeit sind (ob nun testosteronbedingt oder ohne - egal... ich bin f***ing fifty years, my dear...).
Ist doch nur ein bissl Blut, stell' dich nicht so an - das mag manch einer jetzt vielleicht denken.
Und ich stell' mich auch gar nicht an, sondern lache beispielsweise über diese Ironie, sich endlich den Traum zu erfüllen, Mann zu sein - und dann Blutungen zu kriegen.
Ha ha ha! Wären meine Schenkel nur etwas muskulöser und weniger "voll", dann würde ich drauf ......................................... klopfen.................................... und so.
😏
Was das nun mit Krebs zu tun hat?
Genaugenommen eigentlich nichts, und das Wiederauftreten des Zyklus (ob das nun eine einmalige Sache ist oder nicht) bedeutet in keinster Weise, dass ich deswegen wieder krank werde.
Ich gestehe aber, dieses unverhoffte Nahekommen der eigenen -ähmnunja- Weiblichkeit, hat mich auch wieder der 2012-2013er-Atmosphäre näher gebracht.
Ich war mal eine Frau... die hatte eine Brust... und in dieser Brust, da war Krebs.
Danach - nach der Chemo und mit Beginn der Antihormontherapie - war das offensichtliche Frauenthema irgendwie gegessen, und ich hatte ganz andere Dinge um die Ohren.
Mich selbst zu entdecken und freizulassen, zum Beispiel.
Und jetzt DAS.
Es wird vorbeigehen, und dieser eine große Dysphorie-Teil auch.
Davon (also von der Dysphorie) wird es noch mehr geben, also ist es auch ein wenig ein Lehrstück für mich.
Wie das meiste, das ich in den letzten Jahren erlebt habe.
Und trotz allem, und das wird mir auch das wüsteste Blutbad nicht wegnehmen können:
Ich bin Marco.
Endlich.
Und jetzt mach' ich mir 'n Bier auf.
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sabine (Freitag, 10 November 2023 10:55)
jawoll - prost