Drachenköpfejungfrauenblut und die Eine (oder keine)

Und als ich dann zu ihr ging... ich konnte nicht anders, als mich an ihre Seite zu setzen, die Arme um sie zu legen und meinen Mund, meine Lippen ließ ich ihren Hals berühren... dort an diesem Muskelstrang, an dem ganz nah die Halsschlagader pochte, und mein Herz, das schlug so schnell.

 

Ich drehte meinen Kopf zu ihr, und wir mussten nichts sagen, es war auch so klar... es war alles klar.

Ich wollte sie küssen, und ich spürte - nein, ich wusste, sie würde das auch wollen. Weil sie mich kannte... genauso wie ich sie kannte, schon lange.

 

...

Nein, ihr seid nicht versehentlich mitten in einem schwülstigen Groschenroman gelandet.

Falls ihr jetzt einen muskelbepackten, stahlblauäugigen Großgrundbesitzer im schottischen Kilt erwartet habt, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ihn anbetende, großbusige Dorfschönheit in aller Ausführlich- und Schlüpfrigkeit zu verführen, dann -

- habt ihr euch leider geirrt.

(Oder doch nicht?)

 

Ich bin nur ein gewöhnlicher, teils vernarbter Hörakustiker mit (schon etwas weniger, aber nichtsdestotrotz vorhandenem) Übergewicht, einen Kilt besitz' ich nicht (Röcke... iiieeh!) und um die Dorfschönheit geht's hier nicht.

Es geht hier vielmehr um meinen Traum.

Meinen vorgestrigen Traum, der wie eine durch die schottischen Highlands fliegende Seifenblase zerplatzt ist, als ich unvermittelt WACH wurde - genau an der Stelle, mit der die oben beschriebenen Absätze endeten...

... und mein erster, schlafumnebelter Gedanke war:

 

Scheiße.

 

Warum jetzt?

Warum nicht erst in meinetwegen einer halben Stunde?

Und: Ist mir denn gar nichts vergönnt? Das dachte ich mir nachher seufzend beim Zähneputzen.

Nicht mal eine popelige, harmlose, kurze Liebesszene in einem verdammten Traum?

 

Hier geht's jetzt gleich um Sex.

 

... Nein, Spaß, tut es nicht. Ich kann nicht. Ich bin ja befangen.

Warum? - Herrgottnochmal... ich erwähnte es früher schon mal.

Würdet ihr über Sex schreiben, wenn ihr wüsstet, dass eure Eltern diesen g**tverdammten Blog lesen? 🫣

 

Aber Spaß beiseite: Vielmehr liegt es eher daran, dass ich gar keinen informationshältigen, launigen, spitzfindigen Essay über mein Sexleben (oder das von irgendwem) schreiben kann, denn - pffff! - keine Ahnung mehr, wovon ich da schreibe.

Karten (oder irgendwelche Körperteile) auf den Tisch: Da gab es auch nix.

Weil da nix war.

Weil mich da auch nix interessierte.

 

Mein Sexleben und der bloße Gedanke daran waren in den letzten längeren Jahren eine brachliegende, karge, völlig uninteressante und unbeackerte Landschaft.

Andererseits: Eine Landschaft ist ja irgendwie existent und bei mir.... nun ja.

 

Doch bevor ihr jetzt mit mir mitweint (ihr wärt die einzigen) oder ein Spendenkonto eröffnet:

Ich hab' es ja nicht anders gewollt, und das ist durchaus wörtlich zu nehmen.

Ich wollt's nicht.

Es war nicht mal igitt - es war einfach völlig wurscht.

Zu verdanken hatte ich das - Ha! Wer errät es als erstes? - dem Krebs und was in den Folgejahren damit einherging.

 

Was hab' ich euch schon ausführlich über meine Hormon-Turbulenzen berichtet, über Gelenk- und Hautprobleme, Wallungen, Schwitzattacken und Stimmungsschwankungen.

Wechseljahre galore!

Was das Blut zudem naturgemäß in Wallung brachte, verursachte jetzt nicht mal mehr ein leises Blubbern in den Venen.

 

Was während und nach der Chemotherapie, Bestrahlung und pipapo als erstes augenscheinlich war: Ich fühlte mich nicht gerade vorzeigbar und sexy, mit meiner Billardkugel-Glatze samt Babyvogelflaum oben drauf, den aufgeschwemmten Cortison-Wangerln und der angefressenen Wampe.

 

Später dann, mit den Jahren, wurde ich dann zwar wieder etwas schöner, aber leider nicht geiler.

Da war alles tot von der Hüfte abwärts. Nicht, dass ich es nicht probiert hätte, aber selbst daran scheiterte es gleich im Ansatz:

Es war mir - wie unsere deutschen Nachbarn sagen würden - völlig wumpe.

 

Ihr merkt schon: Das ist ein Thema, über das man möglicherweise keine Späße machen sollte, weil jeder Mensch mit einem Funken Empathie und Hausverstand nachvollziehen kann, dass es sehr viele Menschen, die an Krebs und deren Folgen litten und leiden, immens belastet, dass sich Libido und Sexualität sehr verändert haben bzw. schlicht nicht mehr existent waren. Das ist mir sehr wohl bewusst.

Ihr wisst aber auch: Ich mach' mir prinzipiell in meinem Blog nichts draus, was man moralischerweise machen sollte oder nicht sollte - ich schreib', was mir gefällt und kann das nur aus meiner Warte aus tun, und wenn ich mich selbst ins Lächerliche ziehe, so tu' ich das zwar mit einem kleinen, ernsten, wahren Kern, aber dennoch aus meiner eigenem eigenen Bedürfnis nach Authentizität heraus mit Humor und dem Drang, zu "entschärfen".

Weil's mir gut tut... und vielleicht auch euch... und weil alles andere ein krampfhaftes Verstellen und angepasstes Formulieren ist für eine große unbekannte "Allgemeinheit" ist. Nicht mein Weg. Nicht mein Blog.

Zurück zum Thema.

 

Nicht, dass es nicht Gelegenheiten gegeben hätte.

Na gut - ich bin ehrlich: Es gab fast keine, aber es ergab sich noch nicht mal so direkt ein kleiner Funke, der dazu da war, dass ich ihn gleich wieder ersticken konnte.

 

Nicht, dass mir wirklich etwas gefehlt hätte.

Also sexmäßig.

Was die Liebe und alles damit Einhergehende betrifft, war das schon wieder eine andere Hausnummer.

Da wurde dann schon ungewollt einiges runterskaliert in mir, was diese Tendenzen betraf... vor allem in der Corona-Zeit.

 

Es handelt sich auch nicht um Ausflüchte, wenn ich behaupte: Ich hatte gar nicht wirklich viel Zeit, mich eingehender mit amourösen Anwandlungen zu beschäftigen.

Ich war beschäftigt mit Leben und Überleben, Ausbildung, Optimierungssucht und Scheitern an der selbigen und und und...

 

Ich und die Frauen...

... da war nicht viel.

 

Da gab es mal jemanden. Andere Stadt, anderes Alter, aber sonst alles in fast beängstigendem Gleichklang.

Das hätte groß werden können... aber meine Angst davor war größer. Mein Vertrauen dagegen war kleiner.

Ich lief weg.

 

Da gab es die Vorstellung, etwas zurückzuholen, was irgendwann mal gewesen war und ein Nachspüren dessen, was sich vor fast dreißig Jahren in einer fast fiebrigen Obsession geäußert hatte... als ich noch jung, dumm und naiv war - nur um dann nach und nach zu entdecken, dass sich nicht alles wiederzubeleben lohnt, was man sich in einem Gedankengebilde mal zusammengeschustert hat.

 

Da gab es dann nichts mehr. So lange nichts mehr. Innerlich wie tot, und von der Hüfte abwärts war... oh, ich wiederhole mich.

Das Thema war irgendwie abgeschlossen, und mich hat's nicht mal gestört.

 

Vermutlich hing es auch mit meiner Unschärfe zusammen, mit meinem Nicht-Frausein und mit meinem Nicht-zu-meinem-Mannsein-stehen-können.

Wenn ich dann mal einen Aufraff-Moment hatte, stand ich vor dem Problem: Frau sucht Frau, aber ist eigentlich keine Frau, denn könnte irgendwie eher ein Mann sein, der eine Frau sucht, aber kann andererseits nicht als Mann eine Frau suchen, denn die sucht ja einen Mann, der ein Mann ist und keinen Mann, der nur ein Mann sein will, aber eigentlich eher eine Frau ist und eine Frau, die eine Frau sucht, wäre bei dem Möchtegern-Mann dann auch völlig falsch wieder und ... so ... weiter.

Es ist kompliziert.

 

Bevor ihr mir hier wegpennt: JETZT KOMMT DER PAUKENSCHLAG!

 

Jetzt, da ich ICH bin, fangen Wunder an zu geschehen.

Es regt sich was. (Nicht das, was ihr jetzt denkt!)

Also - es regt sich was, und das hat einerseits damit zu tun, dass mich die Antihormontherapie nicht mehr in ihrem Wechseljahre-Würgegriff hat, und ich endlich wieder - Mama, Papa, bitte hier Augen zuhalten! - an Sex denke.

An SEX!

 

 

S E X!

 

Es hat aber vor allem auch damit zu tun, dass ich mich wie in einer Art Befreiungsschlag - der mein Outing und alles, was seitdem damit einhergeht, auch war - endlich als ganzer Mensch empfinde und endlich weiß, wer ich bin und was ich will.

 

Und ich will.

S̵e̵x

(Schluss jetzt!)

 

Ich will lieben und geliebt werden, ich will leben, ich will die Arme um sie legen (wer immer sie ist... vielleicht gibt es sie nur in meiner Fantasie, aber vielleicht auch tatsächlich?), ich will diese pulsierende Halsschlagader küssen... das Leben in ihr.

Wohin mich meine Reise als Mann führt, weiß ich noch nicht. Wie sehr ich mich auch körperlich noch verändern werde, steht noch nicht fest.

Ich lasse es herankommen, und während es mich bei den ersten Überlegungen noch abschreckte, selbstbewusst auf die "Jagd" zu gehen (...denn wie sehen die mich? Die können mich ja nicht so sehen, wie ich mich? Und was ist überhaupt ein ganzer Mann?...), denke ich mittlerweile:

 

Da geht noch was.

 

Mit mir ist nämlich etwas passiert.

Meine Ausstrahlung ist eine andere geworden (was so ein neu erstarktes Mann-Ich doch ausmachen kann), und es wird bereits darauf reagiert und ich bekomme es rückgemeldet.

Ich mache mir keine Sorgen.

(Mama, Papa, macht auch ihr euch keine Sorgen.😏)

 

Früher habe ich mich kleingemacht, mich als nicht liebenswert angesehen - und vielleicht war ich das in meiner Selbstablehnung ja tatsächlich auch nicht - aber diesen schweren, niederdrückenden, untergrabenden Angst-und-Trauer-Mantel habe ich abgeworfen (na gut, ein paar Fäden davon kleben noch an mir), und ich wachse, bezirze, lächle, leuchte, habe Farben, strahle und gehe voran, aus mir heraus und bin gleichzeitig ganz bei mir (angekommen).

 

Wenn ich wollte - ich könnte mir einen schottischen Kilt in Transgender-Farben umhängen - mit nichts drunter (aber hey, Ladies - ihr wisst doch, es kommt nicht auf die Größe an) - und ich wüsste zwar nicht, ob Highlander Schwerter tragen (vermutlich nicht), aber ich würde damit Drachenköpfe abschlagen, um mein Mannsein zu untermauern.

Auf die Dorfschönheiten könnte ich verzichten, aber vielleicht sinkt SIE (die EINE) - wie in meinem Traum - dann doch irgendwann noch in meine behaarten, mit Drachen- und Jungfrauenblut besudelten, starken Männerarme.

Dann würden wir uns küssen.

Ich würde es wollen.

 

Und sie - SIE würde es noch mehr wollen als ich.

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