HAUTnah elf Jah(r)

"Heute ist es genau elf Jahre her, dass das Melanom diagnostiziert wurde", sagte ich vor wenigen Tagen  während der Nachsorgeuntersuchung zu meiner Dermatologin.

Die für mich weltbeste, ihr wisst schon... ich habe sie schon ein paar Mal erwähnt.

 

Elf Jahre.

 

Sie war es damals nicht, die die böse Nachricht überbracht hat - die Obsorge über meine Haut und die dazugehörigen Nävuszellnävi legte ich erst danach in ihre kompetenten Hände.

Die Frau Doktor und ihre - natürlich ebenfalls weltbeste - Assistentin Susi (die, genauso warmherzig und engagiert, Licht und Leben in die Ordination bringt) ... diese beiden gehören ganz eindeutig zu den positiven "Markierungspunkten" auf meinen nicht immer schlaglochfreien Wegen seit dem Jahr 2012.

 

Statt euch aber jetzt mit der drölfzigsten Retrospektive anlässlich des Jahrestages ÜBER NUR MICH SELBST zu langweilen, möchte ich gerne noch etwas länger in dieser (fast) heimelig wirkenden Arztpraxis verweilen.

Denn dass ich dort landete, habe ich einer gründlichen Eigenrecherche zu verdanken.

 

Während meines stationären Krankenhausaufenthalts zur ersten Chemo-Verabreichung (für das Mammakarzinom) hatte ich das Vergnügen, von einem Konsiliar-Dermatologen begutachtet zu werden, da das Melanom-Thema parallel in die Nachsorgeschiene gelenkt werden musste.

Von dem Arzt ist mir seine joviale Art und dass er routiniert und schnell, aber gründlich meine gesamte Hautoberfläche untersuchte, in Erinnerung geblieben - und sein permanentes, energisches Kaugummikauen, bei dem ich innerlich ein paar Augen zudrücken musste, um nicht ... nun ja, aus der Haut zu fahren (googelt mal Misophonie 😏).

Zum Glück hat alles gepasst, und ich erhielt eine Empfehlung, in welchen Abständen ich zur Hautkrebs-Nachsorge gehen sollte - "am besten zu einem Wahlarzt".

 

Dass die erste Chemotherapie ihren Dienst IN meinem Körper tat, hielt mich nicht davon ab, mich auch gewissenhaft um das "Außenherum" zu kümmern.

Ich begab mich also auf die Suche.

 

Um es abzukürzen: Meine Entscheidung fiel nach ausgiebiger Arzt-Webseiten-Durchforstung aus Gründen purer Sympathie.

Hier war ich nun und wurde freundlich am Empfang von "Frau Susi" (wie ich sie in Folge nannte) begrüßt.

Damals war wohl von beiden Seiten noch kein Gedanke daran, dass die höflich-professionelle Distanz mal in einen locker-freundschaftlichen Umgang münden würde.

Spätestens, als ich Frau Dr. S. dann "in echt" kennenlernte und die Untersuchung gut hinter mich brachte, wusste ich, dass ich mich für die richtige Ärztin und die richtige Praxis entschieden hatte.

 

Natürlich hört man immer wieder diverse Meinungen über die Unterschiede zwischen Kassen- und Wahlärzten hinsichtlich Terminvergabe, Untersuchungsdauer, Gründlichkeit etc., und die Erfahrungen gehen wohl tatsächlich in unterschiedliche Richtungen.

Ich kann nur für mich selbst sprechen: JA, es kostet Geld und JA, man bekommt meist nur einen Teil von der Kasse zurückerstattet, aber ich bereue nichts.

 

Es wäre jetzt vermessen zu behaupten, ich wäre in der Folge GERNE hingegangen, denn das schloss die Thematik eigentlich aus, aber ich fühlte mich perfekt aufgehoben und niemals -

NIEMALS -

irgendwie verurteilt.

 

Denn ich lege jetzt die Karten auf den Tisch und zerstöre ganz brutal die Illusion, ich sei immer voll smart, furchtlos und selbstbewusst gewesen in Bezug auf meine "Hautgeschichten".

 

Die Wahrheit ist: Eine Zeitlang war ich ein zwangsgestörtes Kontrollsucht-Wrack.

Es kann nämlich - wie in meinem Fall - auch passieren, dass die (Re-)Traumatisierung in Bezug auf eine (oder - hui! - zwei) Krebserkrankungen Verhaltensweisen hervorruft, die einer psychischen Notlage geschuldet sind...

 

... und das ging bei mir so:

Ich entdeckte ein Muttermal (oder zwei oder drei), die mir aus einem Impuls heraus komisch vorkamen. Vielleicht war auch der Lichteinfall gerade schlecht, ich weiß es nicht. Das Ding war vielleicht immer schon da und unverändert, aber in meiner Vorstellung wuchs es zu einem bösartigen Monster-Tumor heran, der seine Metastasenwurzeln vielleicht schon längst in meinen Körper geschlagen hatte.

Wenn der Gedanke einmal da war, konnte ich ihn meist nicht wieder fallenlassen.

Und wenn der hunderste Begutachtungsversuch (na gut... aber immerhin vielleicht der zwanzigste) mittels Spiegelcheck und Taschenlampe keine Beruhigung brachte, schlug ich letztlich dann doch bei der Frau Doktor auf. Erst sie konnte der inneren Qual mit dem Auflichtmikroskop ein Ende setzen.

Im Unterbewusstsein spürte ich meist, dass es Hirngespinste waren, aber im Hineinsteigern war ich trotzdem Meister und ich brauchte diesen "Ganz harmlos"-Haken dahinter, sonst fand ich keine Ruhe.

 

Vom psycho(patho)logischen Standpunkt aus mag man - wahrscheinlich berechtigerweise - einwerfen, dass mir auch wiederholte Kontrollen keine Stabilität und Sicherheit vermitteln würden, aber mir war ohnehin selbst klar, dass erst die persönliche und intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Krankheitsbewältigung eine tatsächliche Besserung bewirkt.

Und Zeit... auch Zeit war hilfreich.

 

Aber erst einmal war ich in der Schleife gefangen.

In den dunkelsten Phasen stand ich wie ein kümmerliches Häufchen Elend (Selbstwahrnehmung might be an evil ass) um halb acht Uhr früh vor der Ordination und schämte mich in Grund und Boden, wenn Assistentin Susi, mit dem Schlüssel in der Hand, auf mich zukam und ich es kaum wagte, ihr in die Augen zu schauen.

Also lächelte ich nur verkniffen und murmelte stammelig eine Entschuldigung für die Umstände meines unangekündigten Auftauchens.

 

Niemand in einer gewöhnlichen Arztpraxis hat es gern, wenn jemand ohne Termin plötzlich dasteht, aber ich habe jedes einzelne Mal Verständnis und Wertschätzung erfahren.

Ich selbst wäre hart mit mir ins Gericht gegangen ("Sie schon wieder!?"), aber mei... das war halt ich.

Aber zu keinem Zeitpunkt habe ich eine negative Reaktion von Ärztin oder Assistentin hinnehmen müssen.

In diesen Momenten standen ganz klar auch keine Dienstleistungspersonen dahinter, die Profit daraus schlagen wollten.

Stattdessen wurde mir soviel wertungsfreie Hilfsbereitschaft entgegengebracht, dass ich mich alleine dafür fast schon wieder schämte...

 

Keine Verurteilung.

Das bedeutet mir heute - nachdem all das, wie es aussieht, hinter mir liegt - immer noch sehr, sehr viel.

Ich weiß, es ist nicht selbstverständlich.

 

Heute sind sowohl Sonja als auch Susi treue Leserinnen meines Blogs.

Wir sind längst zum freundschaftlichen "Du" übergegangen, und beide begleiten mich nun schon ein ganz schönes Stück meines Lebens und meines "Werdegangs" seit den Erkrankungen, und wir tauschen uns immer wieder gern über jeweilige Neuigkeiten aus - über Whatsapp, soziale Medien und natürlich persönlich.

 

Darum widme ich meinen 11-jährigen Jahrestag der Melanom-Diagnose dieses Mal nicht mir selbst und meinen schwülstigen Selbstbeweihräucherungen, sondern hole euch - liebe Sonja, liebe Susi - vor den Vorhang und sage euch ❤️-lich

 

DANKESCHÖN

 

für eure Menschlichkeit, euren Humor und euren respektvoll-wertschätzenden Umgang mit mir in jeder Phase (und ihr kennt sie alle von mir 😁) ...

 

 

... und dafür, dass ihr einfach da seid.

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Susi (Freitag, 22 September 2023 06:37)

    Danke, war immer eine Selbstverständlichkeit für mich.
    Auf weitere gemeinsame gesunde Jahre
    Drücker

  • #2

    sabine (Sonntag, 24 September 2023 12:40)

    Marco - du bist suppa! :-)

  • #3

    Bianca (Mittwoch, 27 September 2023 07:41)

    Hi Marco :)
    Ich verfolge deinen Blog auch seit einer kleinen Weile.
    Heute lese ich von dir zum ersten Mal was von Misophonie und bin total erstaunt! Denn ich leide auch darunter. Sehr �.
    Das haben wir uns damals gegenseitig gar nicht erzählt. Schon verwunderlich, wo wir doch damals rege in Kontakt standen. ☺️
    Nichtsdestotrotz: lieber Marco, ich lese weiterhin deine Reise, deine Schilderungen, und gerade im Bezug auf dieses Thema stecke ich gerade in einer ähnlichen Situation.
    Nur dass mir zwei Male entfernt wurden, und ich gerade noch immer auf den Befund warte.
    Du weißt, wie es sich anfühlt *bangen*.
    Liebe Grüße
    Bianca �