"Ich habe Krebs..."

Wie war euer Wochenende so?

Viel unternommen? Spaß gehabt und so?

Ich weniger.

Zu meinem Problem mit der Ferse (siehe Beitrag von letzter Woche) hat sich nämlich noch ein steifes Kreuz hinzugesellt.

Zusammenhang nicht ausgeschlossen.

 

Jedenfalls habe ich den Sonntag hauptsächlich im Liegen verbracht, und der doch ziemlich intensive Arbeitstag tags darauf wurde durch meine mangelnde Beweglichkeit und das Schmerzempfinden auch nicht gerade zu etwas Angenehmem.

 

Ach! Da könnte man soviel SUDERN und jammern, wenn man denn wollte... und manchmal will ich.

Aber heute bin ich dann doch innerlich verstummt.

 

Mir gegenüber Platz nahm nämlich eine Kundin, die sich offensichtlich nicht wohl fühlte.

Einige Minuten lang bemühte sie sich, wieder genug Luft zu bekommen, um sprechen zu können (sie war zudem spät dran gewesen und hatte sich sehr beeilt).

Wir unterhielten uns, sprachen über ihre Hörgeräte, und ich nahm diese dann auch an mich, um ein Service durchzuführen.

 

"Ich habe Krebs...", sagte sie dann irgendwann. Nicht völlig ohne Zusammenhang, sondern es ergab sich aus dem Gespräch heraus.

Ich reagierte, wie ich immer reagiere: Ich nickte... und wartete.

Manche Kunden beginnen dann zu reden. Die meisten reden nicht viel darüber, aber einen Einblick bekomme ich fast jedes Mal.

Oft hat das, was mir anvertraut wird, dann auch mit den Hörgeräten zu tun - und manchmal auch nicht.

 

Manchmal möchten Kunden einfach nur darüber reden, und wenn sie es nicht ausführlich tun, dann eben nur mit den nötigsten Worten und mit dem, was sie eben preisgeben möchten.

Ich erwähnte es ja gerade: Es hat mit "anVERTRAUEN" zu tun, und es mag ziemlich sicher mit der Art des Berufes zu tun haben, den ich ausübe, denn dieser erfordert ohnehin schon ein nicht geringes Maß an (Vor-)Vertrauen.

 

Es gibt dann eben Kunden, die sich öffnen - auch in dieser Hinsicht.

(Genauso wie es Kunden gibt, die mir über ihre Eheprobleme etwas erzählen, oder dass das Enkerl finanzielle Probleme hat und was es heute zum Mittagessen gibt... aber das ist dann doch irgendwie wieder etwas anderes.)

Ich höre zu, und manchmal frage ich nach... aber das hängt ganz davon ab, wie sehr ich die mir gegenüber sitzende Person kenne und ob es zur Situation passt.

Manchmal ist es ein eher sachliches Gespräch, manchmal kann man zwischen den Buchstaben viel heraushören, und es gab auch schon Menschen, die geweint haben und deren Hand ich hielt.

Fast immer waren es berührende Momente.

 

Ich bin nun beileibe kein Psychiater, und ich weiß auch, dass von mir eigentlich nicht erwartet wird, dass ich auf eine bestimmte Weise auf das reagiere, was mir erzählt wird.

Meist bleibe ich in der passiven Situation, wahre die Grenzen und schwinge mich nicht zum allwissenden Ratgeber auf.

Nicht mal, obwohl ich manchmal etwas aus eigener Erfahrung beitragen könnte... aber das tue ich fast nie, denn irgendwie gehört es nicht in den Raum, in diese Intimität zwischen zwei Personen hinein.

Ich kann es nicht erklären.

Ich möchte dann den Fokus nicht auf mich lenken, denn um mich geht es nicht.

Wenn es denn vorkommt, wird auch nicht näher nachgefragt, aber es wird "registriert" und - wie es mir scheint - gedanklich abgespeichert. - Denn oft wünsche nicht nur ich in der Folgezeit ein gutes Gesunden und gute Besserung... auch mir wird "viel Gesundheit" gewünscht.

Es ist dann wie ein unsichtbares, dünnes Band, das uns verbindet, aber es steht nie im Vordergrund.

 

Dass jemand nicht mehr wiedergekommen ist, kam auch schon vor.

Dass die Angehörigen dann erzählen, dass Vati oder Mutti oder jemand anderer friedlich eingeschlafen ist und nicht mehr leiden muss, auch.

Natürlich erlebte ich aber auch die schönen Momente mit, wenn jemand nach längerer Leidenszeit alles überstanden hat.

 

Fast immer merkt man diesen Menschen aber die Spuren an, die die Krankheit hinterlassen hat.

Mittlerweile habe ich - aus eigener Erfahrung und familiär bedingt - auch die Antennen dafür, das Wissen und das Verständnis.

 

Ich habe einen Beruf, der wirtschafts- und gewinnorientiert sein kann. Ich bin auch Verkäufer.

Vor allem aber bin ich Mensch, und bei all dem Guten und Schlechten, das ich jeden Tag in der Arbeit erlebe, sind die Begegnungen mit erkrankten und genesenen Menschen (mehr oder weniger gut bekannt), die mich immer wieder beeindrucken.

Begegnungen, die noch lange in mir nachhallen und von denen ich lernen kann.

 

(Nicht mehr soviel zu sudern, zum Beispiel. ;-))

 

 

 

 

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