Badeanzug-Germknödel-Versteckmich-Spiel

Badeanzüge.
Wer trägt sie schon gern?
Ich meine wirklich, wirklich gern.
Welche... Frau stolziert denn bitteschön gerne in ihrem Lycra-Fetzchen herum, genießt den Sonnenuntergang am Strand von Dubai... und....


...okay, hier bin ich falsch.
In mehr als einer Hinsicht.

Für mein kindliches/jugendliches Ich waren Badeanzüge und Bikinis immer Mittel zum Zweck, da es nun mal meist nicht erlaubt ist, nackt in die kühlen Fluten des Freibades zu springen.
Okay, an der kroatischen Adriaküste war das in den 80ern auch schon etwas anderes - da ging das zum Teil - aber so ganz meins war das nicht.
Also Badehosen, und später dann Bikinis und - als dann mehr Übergewicht hinzukam - Badeanzüge.

Wie man sich vorstellen kann, hasste ich die bunten, rüschigen Varianten (80er-Jahre eben), und je älter ich wurde, desto unangenehmer wurde es für mich, mich mithilfe dieser Badekleidung zu verunstalten (denn so empfand ich es).
Zum Glück (?) war ich irgendwann keine so leidenschaftliche Badenixe mehr wie früher. Das hatte aber auch damit zu tun, dass ich mich mit ein paar Speckröllchen zuviel auch einfach nicht mehr wirklich für herzeigbar hielt.

Dann kam der Krebs und - schnibbedischnibb - die Brust war weg.
Erst mal nur die eine.
Da ein paar Monate danach ein Kuraufenthalt anstand, und ich außerdem auch so wusste, dass ich künftig hin und wieder in eine Therme oder an einen See fahren würde, musste also ein neues Badetextil her.
Aber so einfach war das nicht.

Große Brust links, gar nix rechts.
Was macht man da?
Durch ein bisschen Recherche erfuhr ich von Badeanzügen mit "Einschubfächern" im Brustbereich, die speziell für brustoperierte Frauen vorgesehen waren. Praktisch, denn eine Brust-Epithese besaß ich bereits.

Epithese?
Letztlich etwas Ähnliches wie eine Prothese, nur dass Letztere funktionelle Zwecke hat, und die Epithese ästhetischen Ansprüchen gerecht werden soll.
Ästhetisch.... dass ich nicht lache!
Mein leidenschaftlich gehasstes "Trumm" (das war mein einziger Name dafür) hatte in etwa die Ästhetik eines mutierten Germknödels, und so in etwa war auch das Tragegefühl.
Mohn und Staubzucker hätten da auch nichts mehr retten können.

Nun also begab ich mich auf die Suche nach einem "Behinderten-Badeanzug" (ich will hier niemanden vor den Kopf stoßen - es war einfach meine Art, mit einem Schuss Eigen-Zynismus die Situation zu überstehen).
Nach einem Badeanzug mit einem Einschubfach - oder auch eine Art "inneren Kängurubeutel" für mein Germknödel-Trumm.
(Wie bitte? Body-Positivity? - Kann ich. ;-))

Ich wurde fündig, mit Hilfe einer übereifrigen Verkäuferin, die ich kaum abschütteln und mit Mühe davon abhalten konnte, mir in die Umkleidkabine zu folgen.
In dem engen Raum und in gelblich-grelles Neonröhren-Licht getaucht, zwängte ich mich in ein schreiend buntes und natürlich widerwärtig rüschiges Teil, das ich bereits zu diesem Zeitpunkt abgrundtief hasste.
Ich sah aus wie eine großmütterliche Hausfrau aus den 70ern (nur noch die riesige Badehaube mit den gänseblümchenförmigen Gummi-Noppen fehlte).
Gleichzeitig wirkte ich wie ein Dope-Dealer in einer finsteren Gasse, wie ich meine mir zugemutete Epithese verstohlen seitwärts in das "Aufbewahrungsfächchen" stopfte.
Selbstverständlich war das kein Fächchen, sondern hatte gefühlt die Größe einer Koffer-Innentasche.
Vermutlich deswegen durfte ich dann auch einen grünen Schein hinblättern, da ein solch edles Lycra-Teil mit diesen Spezifikationen wahrscheinlich nicht für einen Apfel und ein Ei zu bekommen war.
Was war ich doch gesegnet!

Zugegeben: Es war dann alles nicht so schlimm in der Praxis selbst.
Im Kur-Thermenbad warf ich mir erst am Beckenrand das Handtuch von den Schultern und sprintete eiligst diagonal abwärts über die Treppenstufen ins Wasser, um nur ja nicht besonders sichtbar zu sein.
In der Anwendung selbst tat der Badeanzug dann auch das, was er tun sollte, und trotz des riesigen Mutanten-Germknödels versank ich nicht wie ein Stein im Schwimmbecken (komisch eigentlich).

Zu meinem Glück musste ich mir das Tragen dieses colorierten Ungetüms nicht allzu oft antun, denn nur etwas über ein paar Monate später machte die Mastektomie der anderen Brust die Verwendung der Epithese obsolet.
Gut so, denn das erste, was ichzuvor jedes Mal nach dem Nachhausekommen getan hatte, war mir in den (selbstverständlich auch äußerst hübschen) Spezial-BH zu fassen und das Trumm irgendwo an die Wand zu klatschen.
Ich weiß, ich weiß... vor allem die da draußen, die es sich nach dem Krebs zur Aufgabe gemacht hatten, mich davon zu überzeugen, meine "Weiblichkeit" anzunehmen und nicht mehr zu verdrängen, schlagen jetzt die Hände vor's Gesicht, aber so war es eben.
So war ich eben.
Wie ich jetzt weiß, half mir all das, mit der Zeit zu erkennen, wer ich eigentlich war. Gut so!

Seit vorne alles flach ist, ist auch Schluss mit dem Badeanzug-Germknödel-Versteckmich-Spiel.
Ich gehe nach wie vor nicht besonders oft Schwimmen, aber wenn doch, dann mache ich mir nach wie vor eher Gedanken, dass die Leute an meinem Übergewicht Anstoß nehmen könnten als an der Unausgefülltheit im vorderen Badeanzug-Bereich.
Diese "Unausgefülltheit" kümmert mich nämlich nach wie vor nicht - egal ob in Schwimmsachen, T-Shirt, Hemd usw.
Verständlich, dass das kaum auf andere ehemals Erkrankte umgemünzt werden kann - da bin ich mit meiner gesamten Geschichte eben ein Spezialfall.

Dieses Wochenende bin ich wieder einmal im Freibad meiner Kinderzeit... da, wo ich viele glückliche Tage mit Schnorcheln, Plantschen, Schwimmen, Eis und Pommes verbracht habe.

Ich trage wieder einen Badeanzug... einen ganz normalen, ohne Einschub-Firlefanz.
Als Mittel zum Zweck kann ich ihn akzeptieren, aber innerlich sperre ich mich nach wie vor komplett dagegen - wenn auch mittlerweile etwas anderes dahintersteckt.
Aus optisch-ästhetischen Gründen ist es mir leider - noch - nicht gegeben, obenrum alles frei zu zu zeigen, doch es nehmen schon ein paar Pläne Formen an.

Als ich erst einmal im Wasser bin und meine Bahnen durch das erfrischende Nass im tiefblauen Becken ziehe, fühle ich mich nach langem wieder einmal richtig unbeschwert und genieße Freiheit.
Der Sommer wird noch einige Tage andauern, die Pflichten sind erst einmal (kurzzeitig) weit weg, und die Aussicht auf einen interessanten Herbst (in mehr als einer Hinsicht) lässt mich gerade entspannen und gleichzeitig Vorfreude empfinden.

Vielleicht gibt's heute Germknödel zum Abendessen....
... aber mit Mohn und Staubzucker.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0