Wie ein Schneesturm

Na, der traut sich was!

Schreibt mitten im Sommermonat August über ein Wetterphänomen, das normalerweise erst ein paar Monate später auftritt - wenn überhaupt.

 

Aber das meine ich gar nicht, auch wenn meteorologische Themen derzeit generell in aller Munde zu sein scheinen.

 

Nein, heute geht es um die "Anti-Krebs-Pille".

Habt ihr auch davon gehört oder gelesen?

 

Kurz zusammengefasst:

Forscher in den USA - nein, ich gendere übrigens immer noch nicht - ... also wie gesagt: Forscher in den USA haben ein neues Medikament entwickelt, das bisher an Mäusen erprobt wurde und angeblich "bis zu 70 Krebsarten zerstören" könne.

Das Tolle dabei: Es werden offenbar wirklich nur Krebszellen angegriffen - "gesunde" Zellen kommen anscheinend nicht zu Schaden.

Auf ein bestimmtes Protein wird abgezielt - PCNA heißt es - und dessen mutierte Variante spielt eine Rolle bei der Vermehrung und Reparatur von Krebszellen. Das Protein sei - Zitat - "wie ein großes Flughafenterminal, das mehrere Flugsteige enthält. (…) Unsere Anti-Krebs-Pille ist wie ein Schneesturm, der ein wichtiges Drehkreuz einer Fluggesellschaft schließt und alle Flüge unterbricht – für Flugzeuge mit Krebszellen."

 

Ein abenteuerlicher Vergleich, der aber Sinn macht, um den Zusammenhang zu verstehen.

 

Hoffnung macht auch, dass das neue Medikament, das AOH1996 heißt, in Kombinationstherapien eingesetzt werden könnte. Untersuchungen ergaben, dass dafür gesorgt werden könne, dass Krebszellen für bestimmte Chemotherapeutika, wie zum Beispiel Cisplatin, noch anfälliger werden könnten.

 

Gleichzeitig gibt es aber auch Experten, die die allgemein entstehende Euphorie bremsen, indem sie auf eine mäßige Wirksamkeit bei Antitumor-Aktivitäten bei Mäusen hinweisen. Außerdem sei eine Aussagekraft für die klinische Realität als zweifelhaft zu bewerten.

Hinzu kommt noch, dass mit den angepriesenen 70 Tumorarten eher 70 Krebszelllinien gemeint sein dürften, und diese repräsentieren neun verschiedene Krebsarten.

Immerhin!

Darunter sind Krebsarten wie Brustkrebs, Eierstockkrebs, Prostatakrebs, Lungenkrebs oder Hautkrebs.

 

Jetzt drängen sich Fragen auf wie:

Wie lange dauert es, bis man als krebskranke Person diese "Pille" schlucken darf?

Wie sicher darf man sein, dass sie wirkt?

Tragen die Krankenkassen eigentlich die Kosten?

Warum sind manche Experten so kritisch und machen uns diese atemberaubend wirkenden Ergebnisse madig?

Wann gibt es die "Pille davor", damit Krebs gar nicht erst entstehen kann?

 

Leider kann ich euch keine einzige dieser Fragen beantworten.

Genau wie einige von euch habe ich bisher nur - und das sogar eher oberflächlich - darüber gelesen.

Warum nur oberflächlich?

Weil die Medien wieder das typische Geschrei veranstalten.

 

Wundermittel!

Krebsheilung!
Krebs ist besiegt!

 

So einfach ist das nicht... leider.

Was man nämlich nicht übersehen darf: Das klinische Erproben am Menschen hat gerade erst begonnen, und bevor AOH1996 wirklich in Massen produziert und ausgegeben werden darf, werden noch etliche Jahre vergehen.

Jahre, in denen sich die Untersuchungen und Forschungen noch in jede erdenkliche Richtung drehen können.

Jahre, die für sehr viele Krebskranke eine zu lange Zeit sind... die sie nämlich gar nicht mehr haben.

 

Also ist das alles übertrieben und schlecht?

Auf keinen Fall!

 

Das Medikament macht tatsächlich Hoffnung auf einen Durchbruch in der Krebsforschung, wie auch immer der geartet sein mag - irgendwann.

Was mich positiv stimmt: Es wird unermüdlich geforscht, um der Krankheit ihren Schrecken zu nehmen und eines Tages tatsächlich zu besiegen.

Schon früher - jetzt in der Gegenwart - und auch in der Zukunft.

Jeden Cent, jeden Dollar, jeden Euro ist das wert, wenn man mich fragt (was natürlich niemand tut).

 

Der Weg ist ein holpriger und steiniger.

 

Vor über zehn Jahren sind Chemotherapeutika durch meine Adern geflossen, die teilweise heute noch Erfolge erzielen, aber selbstverständlich auch längst durch andere, noch besser wirksame ersetzt wurden.

Alleine die Herceptin-Therapie, die ich 90 Minuten lang im Anschluss an jede Chemo noch intravenös verabreicht bekam und die meine "Chemotag"-Strapazen noch verlängerte, ist heutzutage - schon seit Jahren - eine völlig andere.

Eine Spritze - und das war's.

 

Ich möchte AOH1996 niemals brauchen müssen.

Niemand möchte das grundsätzlich.

Sehr viele kranke Menschen warten jedoch nach wie vor sehnsüchtig ein Medikament wie dieses.

Auf Hoffnung.

Auf mehr Zeit.

Hoffnung auf mehr Zeit.

 

Egal, wie reißerisch vielleicht da und dort berichtet wird, und wie sehr manche Inhalte vereinfacht und durcheinandergeworfen dargestellt werden...

... etwas tut sich, und alleine das ist ein beruhigendes Gefühl.

 

Ich bin Fußball-Fan.

 

Aber ich würde gerne die fast 200 Millionen Euro, die Spieler wie Kylian Mbappé oder Haaland wert sein sollen, woanders investiert sehen.

Ich hätte am liebsten, dass die schwindelerregend anmutenden Summen, die neuerdings in vielen Fußballligen für Transfers und Infrastruktur gezahlt werden, in die Krebsforschung fließen.

 

Die Welt, die Werte... sie sind "verschoben"... schief.

Sie kippen.

Einfache Dinge werden kompliziert gemacht und umgekehrt.

 

Aber dennoch: AOH1996 ist vielleicht tatsächlich wie ein Schneesturm... vielleicht aber auch nur ein laues Lüftchen.

Wer kann es jetzt schon wissen?

 

Hauptsache, es wird weiter geforscht.

 

Hauptsache, sie geben nie auf.

 

Für uns alle.

 

 

 

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