Prunkvoll in Untermurksenbrunn

Long live the king!

 

Wer die letzten Tagen (oder Wochen) nicht unter einem Stein lebend verbracht hat, kam an der Krönung von Charles III. nicht vorbei.

Es war DAS Thema, und man musste kein britischer Staatsbürger* sein, um die volle Breitseite der "Coronation Ceremony" abzukriegen.

Die britische Königsfamilie hat auch bei uns ihre Fans, und man kann zu Pomp und Monarchie stehen wie man will ... so ein bisschen faszinierend ist diese royale Märchenwelt ja doch - abgesehen von den großen und kleinen Skandälchen.

 

Die Inszenierung des Ganzen zu kritisieren, das liegt mir fern, schließlich ist der Großteil davon fest verankerte Tradition und wurde seit Jahrhunderten so - und nicht anders - zelebriert.

Mich persönlich kostet es ein Schulterzucken. Leben und leben lassen... die Briten wissen schon, was sie tun.

Ich glaube auch, dass in unseren Breitengraden ohnehin niemand nachvollziehen kann, welche Wertigkeit die "Royals" für das gemeine Volk haben und wie sehr sie im Mittelpunkt stehen.

Wir, in den "anderen" Ländern, beobachten es teils mit Amüsement, teils mit Verärgerung, teils mit Fragezeichen über dem Kopf.

 

Doch eins ist überall gleich überall auf der Welt (sofern es sich nicht um Dritte Welt-Länder handelt, die sich darüber bestimmt keine Gedanken machen):

Die Verschiebung des Beobachtungs- und Bewertungsfokus.

 

Nun sind Bewertungen, Kritik und Schubladisierungen ja keine neuen Phänomene - die gab es wohl schon immer, seit der Mensch nicht mehr nur jagt und sammelt.

In der modernen Welt der Vernetzung und Social Media hat das Ganze aber natürlich einen Zacken zugelegt, auch was die Geschwindigkeit betrifft.

Letztlich ist es aber egal, zu welchem zeitlichen Zeitpunkt man das kritische Auge öffnet ...

 

... es geht immer um das Gleiche:

 

Bei Männern ist es wichtig, wie sie sich verhalten.

Bei Frauen, wie sie aussehen. (Wie sie sich verhalten ist auch wichtig, aber zuerst zählt die Optik.)

 

Man kann das bei jeder kleineren und größeren öffentlichen Veranstaltung beobachten - ob es sich nun um eine pompöse Krönung handelt, die 2,5 Milliarden Menschen sehen, oder um den Grinzinger Heurigengrätz'l-Bieranstich (gibt's da überhaupt Bier?) mit 100 Personen.

 

Große Tageszeitungen, Webseiten und TV-Sendungen stürzen sich darauf wie Regionalblätter und Internet-Trolle:

 

Prinz Louis macht "Faxen", streckt die Zunge raus und winkt den Menschen auf lustige Weise zu.

Prinz Harry wird auf die hinteren Ränge in der Westminster Abbey verbannt und guckt komisch in Richtung seines Bruders.

König Charles ist ganz gerührt, als ihm sein Sohn William die Treue schwört.

Prinz George darf mit 9 Jahren schon königlicher Page sein, gähnen muss er aber trotzdem.

 

Königin Camilla sieht schick und zurückhaltend aus, ganz wie es sich gehört.

Prinzessin Charlotte sieht bezaubernd aus.

Prinzessin Kate sieht auch bezaubernd aus, trägt die Klunker ihrer Schwiegermutter Diana und wird für ihr Outfit aber auch kritisiert.

Auch die anderen adeligen und nicht-adeligen Damen werden ob ihres "(nicht) royalen Fashion-Looks" genau unter die Lupe genommen.

 

Merkt ihr was?

Der Fokus der Aufmerksamkeit, Berichterstattung und Kritik ist genau vorgegeben.

Wer aus der Reihe tanzt (egal womit), dem werden sofort die Haken ins Fleisch geschlagen.

 

Achtung - und jetzt wieder der extreme Themen-Twist zum Krebs.

 

Wer in einer Welt von (vordergründig) Gesunden an Krebs erkrankt, tanzt auch aus der Reihe...

... aber es sind immer die FRAUEN, die - sofern sie Promis sind (aber manchmal auch so) - nach ihrem Aussehen und ihrer Verfassung beurteilt werden.

 

Steile These meinerseits:

Als krebskranke Frau musst du wie ein Opfer aussehen, sonst kann das Ganze ja gar nicht so schlimm sein.

Siehst du nicht ausgemergelt, blass und elend aus, kann es dir ja gar nicht so schlecht gehen.

 

Jep, ist mir selbst auch passiert und habe ich auch schon mal erwähnt: Als ich einmal während der Chemozeit meine Arbeitsstelle besuchte, bemerkte eine Kollegin mit unverhohlen erstaunter Stimme:

"Du schaust ja überhaupt nicht krank aus!"

 

Bei den Promi-Frauen wird letztlich nicht viel darüber berichtet, wie es ihnen geht, sondern welchen optischen Eindruck sie machen. (Wer sich jetzt fragt, warum das ausgerechnet mich als verkappten Mann stört: Das tat es immer, dazu bin ich zu sehr Feminist.)

 

Wie gesagt: Es kann eigentlich "eh alles nicht so schlimm" sein, weil sonst würden Sylvie Meis, Kathy Bates, Sheryl Crow, Christina Applegate usw. nicht so strahlend schön, stark und ganz toll gesund aussehen.

 

Die Promi-Männer wiederum sind die Helden, vorrangig wegen ihres Verhaltens und wegen ihrer (männlichen) Stärke. Sie sind die wahren Helden. Ob sie dabei angeschlagen aussehen bzw. ausgesehen haben, spielt nicht mal eine sekundäre Rolle, sondern rangiert auf den hinteren Rängen.

 

Man gerät schnell in diese Bewertungsfalle, und ich gebe zu, dass selbst ich schon hineingetappt bin - wenngleich das auch VOR meiner eigenen Krebszeit war.

 

Letztlich ist es völlig unerheblich, welches Geschlecht jemand hat.

An Krebs zu erkranken ist für niemanden leicht und angenehm.

Niemand geht da (auf Dauer) strahlend schön und (permanent) superstark durch.

Die öffentliche Wahrnehmung ist zu 99% eine andere als die eigentliche Wahrheit, die nur die betreffende Person und ihr Umfeld etwas angeht.

 

Was steht dazwischen?

Dass die Gesellschaft es nun mal liebt, ein Urteil zu fällen, Opfer zu kreiieren und Einteilungen in Schubladen zu machen.

 

Egal, ob es um den König von Großbritannien und der Commonwealth-Staaten geht.

Oder um den "Krebsheld" (egal, welchen Geschlechts) aus Untermurksenbrunn.

 

Hauptsache, er trägt ein prunkvolles Kleid.

 

 

 

 

* Stört es euch, wenn ich weiterhin nicht gendere? - Eh nicht? Gut.

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Jani (Mittwoch, 10 Mai 2023 09:36)

    Nicht zu Gendern ist auch ganz Duden-Like;)

    https://testsieger-funk.de/funk-durchgangsmelder-test/