Was hätte sein können

Es war einmal...

...ein Mädchen (eigentlich eine Frau, aber es klingt irgendwie netter und niedlicher so).

Also - es war einmal ein Mädchen, nennen wir es Mädchen A.

Mädchen A traf Mädchen B (mindestens genauso niedlich) und fühlte sich hingezogen.

Mädchen B checkte aber gar nix.

Mädchen A wurde von jemand anderem (ungeklärter Identität) darauf aufmerksam gemacht, dass Mädchen B tabu sei.

Richtig tabu.

Mädchen A fügte sich, und ... nichts geschah.

 

Das nix checkende Mädchen B erkannte einige Zeit darauf, dass Mädchen A ziemlich hinreißend war.

Doch es war zu spät - denn Mädchen A war in der Zwischenzeit mit Mädchen C zusammengekommen.

Pech für Mädchen B... genauso wie es zuvor Pech für Mädchen A gewesen war.

 

Was hätte sein können, wenn ein paar Kleinigkeiten anders gekommen wären?

 

Es war einmal...

...ich, die in einem Berufsfindungskurs saß und Weichen für die Zukunft stellte.

Die Zukunft hatte gerade seltsame minimale Wendungen bekommen, denn ein komisches Virus schickte sich an, irgendwo in Asien Menschen krank zu machen.

Ich ließ mich aber nicht aus der Ruhe bringen, schrieb Lebensläufe und Bewerbungen und wusste plötzlich sehr klar, wo mich mein Wunschweg hinführen würde.

Während die erwähnte seltsame Lungenkrankheit ihren Lauf nahm, sich in Europa einschlich und zum ersten Mal über einen möglichen Lockdown im Land geschrieben und gesprochen wurde, machte ich Nägel mit Köpfen.

Am Tag, bevor das Leben in Österreich vorübergehend nahezu zum Stillstand kam, hielt ich meine fixe Ausbildungszusage in der Hand.

So konnte ich ganz entspannt (na ja...) in den Lockdown gehen, denn ich wusste, dass ich zwei Monate später meine Lehre beginnen würde. Es war sich haarscharf ausgegangen. Kein In-der-Luft-hängen... nein, alles war klar.

 

Aber was wäre gewesen, wenn ein paar Dinge anders, langsamer gelaufen wären?

 

Es war einmal...

...ein Muttermal. Das ist ja nun nicht wirklich etwas Besonderes, aber dieses komische Ding begann, aus dem Nichts zu entstehen und dann auch noch viel zu schnell zu wachsen.

Der Mensch, dem die Wade gehörte, auf dem das Muttermal prangte, wurde darauf aufmerksam, ließ sich aber von einem nachlässigen, möglicherweise überheblich agierenden Facharzt beruhigen.

Da sei nichts.

Das Muttermal blieb aber da und wurde sogar noch größer. Der Mensch glaubte nicht länger daran, dass das "nix" sei, sondern pochte auf eine weitere Untersuchung. Dem wurde seufzend stattgegeben.

Kurze Zeit später stand Schwarz auf Weiß auf einem Diagnose-Bogen, dass es sich um ein spitzoides Melanom, Tumordicke 1,2 mm, Clark Level IV handelte. Das Muttermal des Menschen, so banal und unscheinbar (wenn man von der Größe absah), hatte einen unheilvollen Namen bekommen. Es war nicht nix.

Der Mensch... war froh, dass er nicht locker gelassen hatte.

 

Aber was wäre gewesen, wenn er sich mit der erste Auskunft des Arztes zufrieden gegeben hätte?

 

Es war einmal...

... eine Psychoonkologin der Krebshilfe Oberösterreich, die eines Tages eine verzweifelte neue Klientin bei sich sitzen hatte, die ihr über eine frisch diagnostizierte Krebserkrankung berichtete.

Dann fand sich diese Klientin im Krankenhaus ein, um sich operieren zu lassen, und während die Psychoonkologin darauf wartete, dass sie bald Neuigkeiten erfahren würde, bekam sie wenig später eine überraschende und sehr bestürzende Nachricht von ebendieser Klientin:

"Frau Magister Hartl... es wurde noch etwas entdeckt. Ich habe noch einen weiteren Krebs."

Die Psychoonkologin bekam Gänsehaut, als sie Näheres über die Umstände erfuhr, denn es war tatsächlich so gewesen, dass das zweite "Überraschungsei" nur durch Zufall entdeckt worden war.

Zufällig auch noch von einem aufmerksamen Radiologen, durch eine fortführende Untersuchung, die so nicht einmal hätte stattfinden müssen.

 

Was hätte sein können, wenn die Klientin in einem anderen Krankenhaus gelandet wäre, wo man nicht so sorgfältig vorgegangen wäre?

 

... Oder wenn die Klientin oder Besitzerin der Wade nicht so hartnäckig wegen eines dummen Muttermals gewesen wäre?

 

... Oder wenn ich, Jahre später, durch all diese prägenden Erfahrungen, möglicherweise nicht die Stärke und den Mut besessen hätte, mein ganzes Leben noch einmal umzuschmeißen, mich durch vergebliche Versuche anzukommen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, und in letzter Sekunde vor dem "großen Shutdown" eine Ausbildungszusage-Punktlandung hinzulegen?

 

... Oder wenn Mädchen B ein bisschen früher etwas begriffen hätte?

... Wenn Mädchen A etwas mutiger gewesen wäre und nach einer Aussage von Irgendwem sich nicht hätte aus der Ruhe bringen lassen?

 

All diese Dinge hängen zusammen und doch tun sie es wieder nicht.

Sie alle haben gemeinsam, dass es oft winzig kleine Bedingungen, Gegebenheiten und Entscheidungen sind, die die Weichen für Unwichtiges, Wichtiges, Kleines und Großes stellen können.

Einmal kurz nicht aufgepasst, und schon ist man abgebogen.

 

Man mag es Schicksal nennen, was sich da einmischt.

Vielleicht ist es auch Zufall.

Natürlich gibt es auch diese Momente, die jeder von uns kennt:

Hätte ich doch damals nur...

 

Aber wir sollten uns auch bewusst sein über Tatsachen, die uns lehren:

Genauso hat es sein sollen... alle Wege haben genau da hin geführt.

 

Und diese Wege, so verschlungen sie auch sein mögen, sind noch lange nicht zu Ende.

 

Ich - Mädchen B - muss es wissen.

Und du - weißt es auch.

 

 

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