Die erste Geige *

* irreführender Beitragstitel

Also, es ist so: Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass ich heute fast gekniffen hätte. Der Blogbeitrag ist noch nicht geschrieben, und es gibt gerade drölfzig Gründe, ein "Wir bedauern"-Schild hinzuhängen.

 

"Sorry, guys - Schreibblockade! Nächster Beitrag kommt nächste Woche."

 

Aber das kann ich einfach nicht bringen, das tut man nicht! *mit dem Zeigefinger wedel*

Schließlich können meine werten Leser und *innen nichts dafür, dass mein Tag stressig und recht... bescheiden war.

 

Ich kann nicht mehr so gut mit Stress. Ich rede mir ein, dass das erst seit der Krankheit so ist, aber in Wahrheit konnte ich nie so wirklich gut mit Widrigkeiten und auf mich einprallenden, zeitfordernden Pflichten (in Kombination).

Das liegt einerseits an meinem Naturell (Kontrollfreak) und andererseits... äh ja - an meinen Nervensträngen, die eher wie Geigensaiten agieren und weniger wie Stahlseile.

 

Andererseits habe ich anderen und vor allem mir selbst oft genug bewiesen, dass ich selbst größten Belastungen standhalten kann. Da sind wir wieder beim Thema "Hattest du mal Krebs, schaffst du alles".

Ein Körnchen Wahrheit steckt auf jeden Fall in dieser Aussage - nur dass ich diesen gedanklichen Bezug selten herstelle.

 

Dennoch: Mit dem Bewältigen der monatelangen Krankheitsphase war es nicht getan. Hinterher war der Prozess der Regeneration und Gesundung nicht weniger anstrengend, aber immerhin noch im gemütlichen Wellness-Zeitrahmen.

 

Dann aber: eine Reihe von Ausbildungen bzw. Ausbildungsversuchen, die mir ganz schön was abverlangten.

Innerhalb weniger Tage und Wochen eine CNC-Maschine programmieren zu lernen... das hätte ich mir noch Jahre zuvor auf keinen Fall vorstellen können. Vom Drehen und Fräsen an wiederum anderen Maschinen, dem Herstellen von Werkstücken unter Zeitdruck und dem Anfertigen komplizierter technischer Zeichnungen rede ich da gar nicht erst. Na gut - fast nicht.

Im Endeffekt kam dieser Lebensabschnitt zu früh für mich - kräftemäßig und mental war ich noch nicht auf der Höhe.

 

Das änderte sich auch später nur langsam, oder sagen wir - je nach angelegter Daumenschraube reagierte ich entweder mit zusammengebissenen Zähnen oder Wut-Stress-Geheul.

Seien es Rückkehrversuche in alte Berufe (der Keks war jedoch gegessen, wie sich herausstellen sollte) oder wieder ein komplettes Über-den-Haufen-werfen sämtlicher Pläne und Neuantritte in noch mehr Neulandgebieten.

Auf einmal saß ich da in der Fachhochschule, voller Idealismus und Tatendrang - nur um dann Monate später festzustellen, dass Motivation und stimmiges Bauchgefühl irgendwo zwischen technischer Mathematik und Programmiersprachen auf der Strecke geblieben sind.

 

Ihr könnte mir glauben: Es war schwer, die Dinge jedes Mal hinzuschmeißen. WIEDER MAL.

Du bringst nix fertig.

Es war jedes Mal wieder ein Schritt in die Ungewissheit, während im Hintergrund die biologische Uhr tickt. Schließlich wird man irgendwann 44, 45, 46 usw. und kriegt zuwenig Jahre zusammen für eine einigermaßen akzeptable Pension.

 

Aber dann:

Ich musste bis zum ersten Corona-Jahr warten, bis mir "mein" Beruf auf die Schulter klopfte, und diesmal - ja, diesmal zog ich es durch von Anfang bis Ende. Mein Highlight im letzten Jahr (eines der wenigen Highlights, muss ich zugeben): das Schaffen der Lehrabschlussprüfung auf Anhieb.

Und nun bin ich mittendrin statt nur dabei, lerne, sauge auf, mache, weiß immer mehr und lege mich ins Zeug.

Immer noch tu ich mir schwer mit Zeitdruck, Erwartungsdruck und unvorhergesehenen "Ereignissen".

 

So kann es auch mal passieren, dass an einem Tag wie heute ein Termin den nächsten jagt, der Kollege aber auf Urlaub ist, dazwischen auch noch unangekündigte Kunden auf der Schwelle stehen, und trotzdem muss der Laden ja laufen.

Oft genug kann ich diese mich begleitende Energie auch positiv spüren. Da fühle ich mich stark, kompetent und nahezu unbesiegbar.

Aber manchmal steigt der Stresspegel auch in den roten Bereich, und wenn dann noch dazukommt, dass ich kaum Zeit habe, mal auf's Klo zu gehen oder von meiner Wasserflasche zu trinken, dann kann ich ganz schön wenig resilient sein.... und gereizt noch dazu.

Das spüren zum Glück die Kunden nicht - wohl aber die Kollegen.

 

Am Ende des Arbeitstages dann noch von einem anderen verärgerten Kunden am Telefon angeschrien zu werden, weil der sich seinen ganzen Frust von der Seele laden will, ist nicht gerade das Sahnehäubchen.

(Dabei ist man eigentlich nur der Überbringer der Botschaft, nicht der Verursacher... was soll's...)

Da hilft dann nur das gedankliche und gefühlsmäßige Abstreifen der Angelegenheit. Man soll ja nix persönlich nehmen... und morgen ist schon wieder ein neuer Tag.

Auf der anderen Seite stehen da nämlich auch viele positive Erlebnisse, die manchmal so ein bisschen unterzugehen drohen, aber nichtsdestotrotz: Sie sind da - und ich vergesse sie nicht. Muss mich nur manchmal daran erinnern.

 

Ich geh' jetzt meine Geigensaiten pflegen und die Füße hochlegen. (Morgen spiel' ich wieder die erste Geige!)

Das "Wir bedauern"-Schild darf in der Ecke bleiben, bis ich es wirklich brauche.

 

Oder auch nie. :-)

 

 

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