Ist Gollum eigentlich auf Instagram?

© Foto: www.coloringonly.com
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Die schönste Frau des Universums.

Habt ihr sie auch schon gesehen?

Seit Tagen geistern Meldungen und Fotos durch Internet-Newsseiten und Social Media.

Kein riesengroßer Aufhänger - da generieren "Klimakleber", grüne Skipisten, Prinz Harry, das Ende der Pandemie und in Ungnade gefallene Schauspieler mehr Aufmerksamkeit - aber es kommt einem halt doch unter, wenn man nicht ganz blind durch den Online-Dschungel läuft.

 

Da ist also nun diese schönste Frau der Welt und des ganzen Weltraums noch dazu.

Ich sehe ihr Foto und denke mir:

Ja.

Nett.

...

Langweilig.

 

Echt gemein von mir, gell? Ich kenne die Dame schließlich gar nicht. Bestimmt ist sie sehr nett und sympathisch, und sie strahlt auf den Fotos über das ganze Gesicht (was vermutlich kein Wunder ist, wenn man eine solche Wahl gewinnt).

Außerdem ist das ja auch nur meine subjektive, bescheidene Meinung und bezieht sich auf einen einzigen oberflächlichen Blick und sonst nichts.

Ich sehe diese Amerikanerin mit philippinischen Wurzeln, die wohl eine Menge Schönheitskriterien erfüllt, die von irgendjemandem aufgestellt wurden, und ganz sicher wird sie für die Dauer ihrer "Amtszeit" (und möglicherweise auch ein bisschen darüber hinaus) von vielen Männern angehimmelt und von Frauen bewundert.

 

Mir dagegen kommt nur eines in den Sinn, als ich zufällig zum ersten Mal an einem Foto von ihr vorbeiscrolle:

Wie aus dem 3D-Drucker.

Ohne sichtbaren Makel.

Wie mit Lack übergossen.

Und da sehe ich auch schon die anderen Kandidatinnen - die, die zwar superschön sind, aber nicht superschön genug sind - und sie sehen nicht recht viel anders aus:

Perfekt.

Blendend.

 

Fad.

 

Ich erkenne: Das muss tatsächlich das Schönheitsideal sein, und es hat sich über Jahrzehnte zwar grundsätzlich nur marginal verändert (der "Perfektions-Anspruch" war wohl immer schon da), aber die Trends variieren.

Heute regieren Instagram- und TikTok-Standards.

 

Es ist das, was Tausende junge Mädchen und ältere Frauen sehen, und es spielt keine Rolle, ob das, was einem da in strahlender Schönheit entgegenblickt, durch Tausende Foto- und Filmfilter gejagt wurde:

Es ist das Ideal.

Selbstbewusstsein, Eigen- und Fremdwahrnehmung und sämtliches Lebensglück scheinen für viele daran geknüpft zu sein.

Das funktioniert übrigens - nicht ganz so öffentlichkeitswirksam, aber doch - auch bei Männern. Die haben dann fitnessbegeisterte Superkerle mit Waschbrettbäuchern und Tom Cruise-Lächeln als Vorbilder (im Extremfall).

 

Wenn ich mit etwas offeneren Augen durch die Welt gehe, dann sehe ich übrigens massenweise diese "Ideal-Frauen" und "Ideal-Mädchen", und - mein Gott - was sind die alle perfekt geschminkt und angezogen!

Ein Trend, der gefühlt mit den Kardashians angefangen hat, und seitdem sehe ich irgendwie ständig ihre Abbilder. Oder die von Influencerinnen. Von Sängerinnen. Von Miss Universes.

 

Sie laufen in teuren Mänteln und Jacken herum, in angesagten Farben und mit Kunstfell-Kapuze, und garantiert niemals-nicht würde es ihnen einfallen, Reißverschluss oder Knöpfe vorne zuzumachen... auch nicht bei 10 Grad minus. Man will ja schließlich nicht dick oder uncool aussehen.

Sie sind makellos geschminkt. Ihre Wimpern sehen aus, als hätten sie sich eine Mascarabürste auf die Augenlider geklebt und der Lipgloss glänzt mit den Acryl-Fingernägeln, mit denen diese perfekten Wesen in atemberaubenden Tempo über ihre Handydisplays wischen, um die Wette.

Ihre Haare fließen in sanften Wellen über ihre Schultern, und es ist keine Lüge, wenn ich erzähle, dass ich schon unzählige Male beobachten konnte, wie beinahe zwanghaft im 5 Sekunden-Takt immer wieder an jeder einzelnen Haarsträhne gezuppelt und überprüft wird, ob sie auch noch richtig sitzt.

 

Was ich aber immer am schlimmsten finde: Diese Mädchen und Frauen, die da oft alleine oder in Gruppen in der Straßenbahn sitzen und zur Schule, zum Shoppen oder zum Freund unterwegs sind, mit überkreuzten Beinen an der Haltestelle stehen oder sonst irgendetwas machen, verziehen so oft keine Miene.

Es ist, als wären ihre Gesichter eingefroren, und vielleicht sind sie das tatsächlich, denn man will ja keine (Lach-)Falten provozieren oder das Make-up zum Bröckeln bringen.

Sie wollen ihre Perfektion bewahren. Koste es, was es wolle.

 

Ich find's nicht schön. Meine Meinung ist jedoch flüchtig, unwesentlich und soll keine (Vor-)Verurteilung sein.

Was mir nicht gefällt, ist für jemand anderen das Nonplusultra. Gibt's so bei Tausenden von Themen.

 

Ich war mal ein moppeliger Gollum (Herr der Ringe, anyone?) - ich kann da eigentlich sowieso nicht mitreden.

Man könnte auch sagen, ich war eine moppelige Kreuzung aus Gollum und einem Panda... wegen der Augenringe.

Ich war garantiert und unter keinen Umständen auch nur irgendwie "schön". Also nach den gängigen Maßstäben.

Innerlich fühlte ich mich aber ebenfalls nicht schön. Ich war ja schließlich ein beschädigter, von bösen Zellen befallener, schwächlicher Körper.

Nie habe ich mich optisch weniger schön empfunden als damals.

Aber ich nahm es eben hin - was blieb mir auch anderes übrig? Es war, wie es war.

Was ich aber nach außen hin ausstrahlte... ich schätze mal, das war eine ganz andere Hausnummer und das mögen andere, die mich zu der Zeit erlebt haben, auch anders beurteilen.

Ich glaube, da war ich schön. Mit all dem Kampfgeist, dem Funken, der Selbstfürsorge, dem Vertrauen.

 

Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters. Abgeschmackte Floskel, aber kommt der Wahrheit schon ziemlich nahe.

Sie ist voller Klischees, die auch ich heute auf ironische Weise sehr ausgebreitet habe (... aber who cares? Auch dieser Blog braucht Ecken und Kanten.😁).

Sie bedeutet NICHT, dass man nur dann ihren "wahren" Kern begreift, wenn man sich irgendwann mal durch die Hässlichkeit des Lebens - zum Beispiel in Form einer Krankheit wie Krebs - gewurschtelt hat.

Sie bedeutet für den einen Miss Universe, und für den nächsten alles andere als das.

 

"I am beautiful, no matter what they say", hat Christina Aguilera mal gesungen, und diese musikalische Kampfansage an die Oberflächlichkeit der Körperästhetik hat sie mittlerweile mit vollem Engagement wieder zugrunde gerichtet, indem sie sich ganz offensichtlich einigen Beauty-OPs aussetzte und zusätzlich exzessiv mit Fotofiltern umgehen ließ. (Nach dem Motto: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?)

Es ist letztlich ihre Sache.

Wie auch die von Miss Universe, Kim und allen Kardashians und Tausenden von Mädchen-Heerscharen, die ihnen folgen und nacheifern.

 

Wer weiß schon, was das Instagram-Hobbymodel hinter seiner eingefrorenen Stirn denkt, wenn es mich in meinem Daunenparka, den ewigen Jeans und den schmutzigen Sneakers gegenüber in der Straßenbahn sitzen sieht?

 

Vermutlich, dass ich immer noch irgendwie wie ein Cousin von Gollum aussehe.

Nur mit (etwas) mehr Haaren.

 

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