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Dieses Wochenende war ich zu Besuch bei meinen Eltern und damit auch in meiner (Herzens-)Heimatstadt.

Wie immer machte ich auch die übliche Spazierrunde ein Stück an der Traisen und an der Ringmauer entlang, und danach erreichte ich den Hauptplatz mit seinen aufgebauten "Standln".

 

Es ist wieder Zeit für den Weihnachtsmarkt, der nach zwei Jahren Zwangspause wieder öffnete.

Gute Erinnerungen habe ich daran... an verkostetes syrisches Essen, an Apfelpunsch und an die Minizugfahrt (bei der ich mir zwar einen Schnupfen geholt, sie aber dennoch nicht bereut hatte).

 

Nun also wieder.

Oder doch nicht.

Es war mir noch zu hell, und es war ja nicht mal richtig (vor-)winterlich kalt, also stand ich etwas unschlüssig herum, machte eine schnell Runde und stellte fest, dass ich später gewiss keine vier mickrigen Schaumrollen um € 7,50 (!) kaufen würde.

Also nochmal weg, bisschen mit dem Auto rumgurken (darf man das überhaupt überhaupt zugeben in Zeiten von Klimakrise und hohen Spritpreisen?) und dann einen neuen Anlauf starten.

 

Zwei Stunden später kehrte ich zurück, die anbrechende Dämmerung passte zur Weihnachtsmarkt-Atmosphäre... und mehr auch nicht.

Ist es nicht oft so, dass hin und wieder etwas anders ist, als man es sich zuvor vorstellt?

Irritiert drehte ich eine etwas ausführlichere Runde, bekam aber nicht viel zu sehen, weil sich die Menschenmassen - ausgehungert und halb verdurstet nach den beiden coronabedingten Ausfällen - nur so drängten.

Na ja... Glühwein, Punsch, Bier, das Übliche. Weihnachtskekse (bestimmt zu astronomischen Preisen... ich hab' nicht nachgesehen), Leberkässemmeln, Spielzeug, Raclettebrote.

Kein Minizug.

KEIN Minizug!

 

Ich schaute noch schnell beim Kunsthandwerkmarkt vorbei, der sich bis in die Rathaus-Räumlichkeiten erstreckte, aber ich geb's zu: Mir stand nicht so richtig der Sinn danach.

Hunger hatte ich auch keinen (mehr), und Durst irgendwie auch nicht - zumal ich mich vermutlich längere Zeit anstellen müsste.

 

Am seltsamsten an dieser Nicht-wie-erwartet-Atmosphäre war aber, dass ich keinen Menschen zu kennen schien, aber andererseits auch nicht gezielt in Gesichter blickte. Vermutlich war schon die eine oder andere Person darunter, die ich (von früher) kannte, aber ich suchte nicht danach.

Vor allem aber hatte ich nicht die Muße, mich hier länger aufzuhalten. Das störte mich nicht sonderlich, denn: Habe ich schon erwähnt, dass es dieses Jahr keinen Minizug gab?

Ich merkte, dass mir nicht nur durch das Iron Maiden-Konzert im Sommer klargemacht hatte, dass ich Menschenmengen absolut nicht mehr gewohnt war. Selbst dieser nicht damit vergleichbare (Provinz-)Stadt-Weihnachtsmarkt ließ mich damit "fremdeln".

 

Habe ich dadurch etwas verpasst?

Ich denke nicht.

Mein Spazierweg führte mich noch länger als eine Stunde weiter durch die Straßen... vorbei an "meinem" Hochhaus, an "meinem" Fußballplatz (der längst keiner mehr war), an "meinem" Spielplatz.

Ich ging vorbei an dem längst aufgelassenen kleinen Gemischtwarenladen, in dem ich mir als Kind manchmal Wurstsemmeln um 5 Schilling, "Überraschungssackerln" um 2 Schilling und jede Menge höchst ungesunden, aber sauköstlichen Brausepulver-Naschkram gekauft hatte.

 

Direkt neben dem Geschäft war ein Kaugummiautomat. Ihr wisst schon... so einer zum Münze-Reinwerfen, Drehen und dann kommt garantiert etwas runter, was man absolut nicht wollte.

In den Siebzigern und Achtzigern gab's diese Dinge noch wie Sand am Meer - jetzt nur noch ganz wenige. Das haben sie wohl mit Telefonzellen gemeinsam.

 

Anstatt also bei Apfelpunsch inmitten von fremden Leuten zusammengepfercht auf dem Hauptplatz zu stehen, warf ich jetzt ganz verwegen eine 50 Cent-Münze in den Automaten und lauschte (immer noch) mit einem Gefühl latenter Aufregung dem leisen "RATSCH", das die Ankunft einer gewiss nicht nachhaltigen Plastikkugel ankündigte.

Die nahm ich heraus, wickelte den giftgrünen Kaugummi aus, von dem ich hoffte, dass er nicht seit ca. 1982 in dieser vorsintflutlichen Vorrichtung gesteckt hatte, und machte mich zufrieden kauend auf den Heimweg.

 

 

 

 

P.S.:

Heute habe ich im Text - wohl zum ersten Mal - nicht mal ansatzweise das K-Wort verwendet. Nur das Kaugummi-K-Wort. Das andere nicht.

Falls es jemand vermisst hat, bitte Beschwerden unten in die Kommentare setzen. ;-)

 

 


BLITZLICHT - der wöchentliche Kommentar von Monika Hartl, Krebshilfe OÖ

 

 

Erstens anders und zweitens als man denkt

 

In schönen Erinnerungen zu schwelgen, vor allem jetzt in der besinnlichen Adventzeit, kann das Herz wärmen.
Wir können dabei all das Erlebte mit allen Sinnen „Revue passieren“ lassen.

Verständlich, dass man Schönes – wenn möglich – nochmal erleben möchte, wie z.B. eine unvergesslich schöne Reise, ein Sonnenaufgang im Gebirge, ein Sonnenuntergang am Meer, oder eben ein Besuch am Christkindlmarkt im Heimatort.
 

Was aber, wenn nichts mehr so ist, wie es war?
Kann es das überhaupt?

Zeit bringt Veränderungen mit sich, gute und weniger gute, Fortschritte und vielleicht auch manchmal subjektiv gesehen Rückschritte.
Auch Orte und Landschaften verändern sich natürlich.

Rund um mein Elternhaus waren während meiner Kinderzeit Mais- und Zuckerrübenfelder, ein kleiner Wald, eine Siedlungsstraße mit wenig Verkehr und für uns Kinder in dieser Siedlung war das ein Paradies zum Herumtoben und Spielen.

Heute ist die Siedlung verbaut, die Felder mussten anderen Häusern und Firmen weichen und kaum ein Haus schaut noch so aus wie früher.
An die romantisch behafteten Orte der Kindheit zurückzukehren, kann mitunter ernüchternd sein.


Auch wir Menschen verändern uns – und das nicht nur äußerlich.
Alles was wir erleben prägt uns, lässt uns „reifen“ und wir entwickeln uns weiter und lernen – im Idealfall dazu.
Kürzlich hat ein 32jähriger Patient zu mir gesagt, dass er durch seine Krankheit „älter und reifer“ geworden ist und mit Gleichaltrigen nur noch schwer zurechtkommt. Seine Werte haben sich verschoben und „Oberflächlichkeiten“ nerven ihn.
Er fühlt sich grundsätzlich wohl damit, auf der anderen Seite aber auch um etwas beraubt, nämlich um eine gewisse Leichtigkeit, die seine Freunde zum Teil noch leben.

„Das ist jetzt unser Weg und wir werden ihn gemeinsam gehen“, hat seine Frau gesagt, „auch wenn wir andere Erwartungen ans Leben hatten!“
 

„Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“, hat meine Mutter manchmal augenzwinkernd gesagt. (Ich schwelge auch gerade in Erinnerungen.)
Und auch wenn sich vieles verändert, nicht mehr so ist wie früher, oder ganz anders, als wir uns das vorgestellt haben, so können wir trotzdem versuchen, den Fokus auf das zu legen, was trotzdem gut ist und uns guttut.
Und wenn man so richtig Lust auf „Retro“ hat, hilft vielleicht die entsprechende Musik aus der Zeit, ein Twinni, ein Kaugummi aus dem Kaugummiautomaten, ein Bazooka, alte Fotos ansehen und eben das Schwelgen in schönen Erinnerungen.

 

„Die Erinnerung steht immer dem Herzen zu Diensten.“
(
Antoine de Rivarol)

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Kommentare: 1
  • #1

    sabine (Donnerstag, 01 Dezember 2022 05:11)

    danke fürs Mitnehmen :-)
    ich sehs vor mir....winkwink