Wie ich mir ein Wattestäbchen in die Nase rammte und das Unheil daraufhin seinen Lauf nahm (.... und ich all das aber überlebte)

So ein Blogartikel braucht einen raffinierten Einstieg.

Das denke ich jedes Mal, wenn ich mich an den Laptop setze.

Wahrscheinlich ist mir das auch schon mehrmals recht gut gelungen.

Hast du die Leserschaft gleich am Anfang am Haken, wird sie nach MEHR gieren und die Seite nicht desinteressiert wegklicken.

 

Also gut, wie mache ich das also heute?

Mal sehen...

 

*Trommelwirbel*

 

Ich habe gerade eine Corona-Infektion hinter mich gebracht.

 

Sehe ich da Ermüdungsanzeichen? (Vermutlich werde ich es an den Besucherzahlen merken...)

Gut, ich gebe zu, das ist nun nicht so etwas in den Grundfesten Erschütterndes mehr. Nicht so etwas wie "Ich habe Krebs".

Aber ich kann's ja trotzdem mal versuchen...

 

Ich könnte euch jetzt den spannenden Krimi erzählen, wie ich den Krankenstand wegen meiner noch nicht ausgeheilten Seitenstrangangina verlängern lassen wollte. Vor dem Arztbesuch braucht man einen Antigentest - logo.

Kaufte ich den also unterwegs in einer Apotheke und stieß mir das Stäbchen, auf einer nahegelegenen Parkbank sitzend, gegen die Nasenschleimhaut.

Alles nur Routineeeee....

Dann könnte ich berichten, wie ich am Handy die Tagesnews checkte und dabei beiläufig auf das Testplättchen schaute, um den einen einsamen Kontrollstrich in Gedanken bereits abzuhaken.

 

Aber da war dann auf einmal dieser Teststrich.

 

Ungläubig starrte ich ihn an.

Anklagend starrte er zurück.

 

Anfangs schwach zu sehen (das ändert sich dann), war er gekommen um zu bleiben.

Ping!

POSITIV!

 

Aber ziehen wir das erzählerische Drama nicht unnötig in die Länge.

Fakt war in der Folge: Das Testergebnis bestätigte sich am darauffolgenden Tag durch das Ergebnis des PCR-Tests.

Positiv.

Immer noch.

Jetzt erst recht.

Kürzlich habe ich noch zu einer Freundin gesagt: Ich glaube, ich bin immun dagegen, hihi.

So kann man sich täuschen.

 

Natürlich türmten sich einige Fragen auf:

Woher hatte ich es? Ich war davor schon eine Woche krank gewesen und nicht in der Gegend herumgeschwirrt.

Was war davor, das in die Inkubationszeit fristgerecht hineinpassen könnte?

Das Iron Maiden-Konzert?

Der One Day Trip nach Tschechien?

Das Jubiläumsfest meiner Dienstgebers?

... Eigentlich war es egal, passiert war ohnehin passiert.

 

Meine zweite Krankenstandswoche (was macht man bitte auch sonst im Sommer?) brachte ich dann so halbwegs okay hinter mich.

Schlappheit, nerviger Husten, aber nichts Dramatisches.

Der Übergang zwischen der Angina und Covid-19 war gewissermaßen fließend und ließ bei mir Zweifel aufkommen, ob das Pandemie-Biest sich nur als Halsinfekt getarnt und mich während der Antibiotika-Einnahme heimlich ausgelacht hat, während es sich schon in meinem unschuldigen Körper breitgemacht hatte.

 

Dann, mitten während meiner Quarantäne, wurde selbige durch den neuen Beschluss der Regierung plötzlich aufgehoben, und ich durfte mit VERKEHRSBESCHRÄNKUNGEN wieder rausgehen.

In die Arbeit, zum Beispiel.

Aber nur mit Maske, bitte sehr.

 

Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.

Das Wetter war heiß, die Maske klebte mir am Gesicht, meine arme Lunge japste beim Herumg'schaftln in der Arbeit nach Luft.... genau wie im Bus. Und genau wie im Supermarkt.

 

Da waren dann auch die skeptischen Blicke der Leute.

Da war der Mann im Supermarkt, der mir ins (maskierte) Gesicht sagte: "Wenn's positiv san, bleibns daham!"

 

Und da waren somit insgesamt vier Tage, in denen ich mich wie ein Fremdkörper, wie ein Außenseiter... irgendwie "schuldig" und stigmatisiert fühlte. (Vielen Dank, liebe Regierung!)

Es waren Tage, an denen ich abends schon um halb 9 ins Bett ging, weil ich es kräftemäßig nicht länger schaffte und weil ich einfach nur wollte, dass die Zeit verging.

Das tat sie.....

.... und jetzt ist wieder alles normal.

 

Nicht ganz.

Ich habe Corona nie verharmlost, hatte aber auch nie Angst davor.

Überrascht hat mich aber dann doch, dass die Nachwirkungen offenbar doch nicht spurlos an mir vorübergehen.

Der eher milde Verlauf ließ - meiner Erwartung zufolge - etwas anderes vermuten:

Dass Corona nur Pipifax sein würde.

Da habe ich mich geirrt.

 

Es wird noch eine Weile dauern, habe ich das Gefühl.

Mein Körper will noch nicht so recht, ist müde, erschöpft und schnell angestrengt.

Ich bin nicht direkt kurzatmig, aber mir geht konstitutionsmäßig dennoch rasch die Luft aus.

Antrieb, Tatendrang und Energie... ich suche das alles noch - beruflich wie privat.

Ich bin eigentlich jetzt erst recht urlaubsreif.

 

Es wird sich wieder ändern.

Wie bei allem braucht man bei einer Erkrankung und auch nach einer Erkrankung Geduld.

Warum ich das so betone?

Weil sich auch hier wieder ein Vergleich zu Krebs ziehen lässt.

 

Nach den ganzen Therapien war ich so leer wie ein Luftballon, aus dem man Selbige rausgelassen hat.

Die Zeit und konsequentes, aber dennoch selbstfürsorgliches Verhalten haben dafür gesorgt, dass ich Schritt für Schritt wieder mehr und mehr Kraft und Energie gewonnen habe.

 

Es täte mir bestimmt gut, wenn ich mich an all das jetzt noch einmal genau erinnere und wieder einen Fuß vor den anderen setze (zum Teil sogar wortwörtlich).

Mit Zeit.

Mit Geduld.

Und mit der genannten Selbstfürsorge, die in den letzten Monaten ohnehin viel zu kurz gekommen ist.

 

Also jetzt muss ich doch nochmal kurz dramatisch werden:

 

Ich habe Krebs überlebt.

Ich habe Corona überlebt.

 

In letzter Zeit habe ich außerdem einiges Weiteres "überlebt":

 

Ich überlebte eine pompöse Lehrabschlussprüfung, die das Ende einer turbulent-anstrengenden Lehrzeit markierte.

Ich überlebte einige für mich ungewohnt schlimme Phasen von Traurigkeit und Verzweiflung.

Ich überlebte eine bange Zeit des Mitleidens mit einem geliebten krank gewordenen Menschen.

Ich überlebte einen auf meine Identität abzielenden verbalen Angriff.

Ich überlebte meine ständig gegen mich selbst schwingenden Peitschenhiebe (Man kann nie zu hart gegen sich sich selber sein, gell?).

Ich überlebte jeden Tag.
Ich überlebte jede Nacht.

Hier bin ich immer noch.

 

Jede*r von uns mag unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was zu "überleben" sich lohnt.

Jede*r hat seine/ihre äußeren und inneren Kämpfe, Konflikte und Schwierigkeiten.

 

Wir überwinden Kleines und Großes. Manches macht man im Vorbeigehen, anderes betrachten wir als Momente des Triumphes.

Mal geht es um eine nicht beantwortete Nachricht, mal um ein scharfes Wort... oder um handfeste Streits, Lügen, Irrungen und Wirrungen des Alltags und allerlei "Hat sich jetzt alles gegen mich verschworen?"

 

"Wenn du durch die Hölle gehst... geh einfach weiter", sagt mir eine Freundin öfters mit einem Augenzwinkern.

Ich muss über diesen Spruch immer schmunzeln.

Was ich allerdings noch häufiger von ihr höre, klingt weniger spektakulär (viel un-spektakulärer als so eine Corona-Erkrankung, ganz sicher!), aber gibt mir immer ein Gefühl von Sicherheit und Ruhe:

 

Es geht vorbei.

 

Das wird auch diesmal so sein.

 

 


BLITZLICHT - der wöchentliche Kommentar von Monika Hartl, Krebshilfe OÖ

 

 

Und immer wieder geht die Sonne auf

 

 

„Wenn ein Traum, irgendein Traum sich nicht erfüllt,
wenn die Liebe zu Ende geht,
wenn selbst die Hoffnung nicht mehr besteht,
nur Einsamkeit,
wenn ein Blatt, Irgendein Blatt vom Baume fällt,
weil der Herbstwind es so bestimmt,
wenn das Schicksal uns etwas nimmt,
vertraue der Zeit...

Denn immer, immer wieder geht die Sonne auf.
Und wieder bringt ein Tag für uns ein Licht, ja, immer, immer wieder geht die Sonne auf,
denn Dunkelheit für immer gibt es nicht,
die gibt es nicht, die gibt es nicht.“

(Udo Jürgens, „Immer wieder geht die Sonne auf“)

 

Manchmal meint es das Schicksal nicht so gut mit uns.

Corona, Teuerungen, Krieg in Europa, Kündigung, Liebeskummer, Sorgen um geliebte Menschen, Konflikte mit Freund:innen, Trauer, Krankheiten,  usw.

Meistens kommt dann nicht nur eines davon daher, sondern gleich mehreres davon hintereinander oder gefühlt alles auf einmal.

 

Manchmal fühlt man sich dann völlig überfordert, handlungsunfähig und einfach nur verzweifelt.

Man hat das Gefühl alle und alles hat sich gegen einen verschworen und man kommt da nie wieder raus.

(Und es ist ein Unterschied ob man sagt oder denkt: „Ich bin verzweifelt“ oder „Ich fühle mich verzweifelt.“)

 

 

Kennen Sie das? Haben Sie so etwas schon einmal erlebt?

Und haben Sie auch die Erfahrung gemacht, dass es doch wieder gut geworden ist?

Anders als davor, aber doch wieder gut.

 

Nach einer Krebsdiagnose steht die Welt Kopf.

Nichts ist mehr, wie es gerade noch war.

Oder?


Ängste, Sorgen, Unsicherheiten, Unklarheiten, Unwissenheit, Krankenstand, Fragen über Fragen und keine Idee, wie das alles zu schaffen sein soll.

Und doch schaffen die Betroffenen – also Patient:innen und Angehörige auf ihre ganz persönliche Art und Weise durch diese anstrengende Zeit zu kommen.

Mal besser mal schlechter – was ganz normal ist.

Irgendwie schafft man es, Ressourcen und Kräfte zu aktivieren und Schritt für Schritt, Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat diese Zeit der Therapien, Kontrollen, Krankenhausaufenthalte, Nebenwirkungen, usw. zu bewältigen.

 

Wie immer sind Bewältigungsstrategien sehr individuell.

Es kann hilfreich sein, sich bewusst zu machen, was man im Leben schon alles geschafft hat, oder wie Marlies schreibt, was man schon alles überlebt hat.

Es kann hilfreich sein, sich Hilfe zu holen – z. B. bei der Krebshilfe - und professionell begleitet durch diese Zeit zu gehen.

Es kann hilfreich sein, sich auf das Bauchgefühl zu verlassen und den Weg einzuschlagen, der sich im Moment richtig anfühlt.

Es ist immer hilfreich darauf zu achten, wer und was jetzt guttut und wer und was jetzt nicht guttut.

Es ist immer hilfreich, die eigenen Bedürfnisse zu kennen, darauf zu achten und diese auch dem (medizinischen, beruflichen, privaten) Umfeld mitzuteilen.

Es ist immer hilfreich, Vertrauen zu haben, dass es wieder besser wird, leichter geht, gut wird.

Und ja, für alle die jetzt denken, „wie soll es gut werden, wenn ich weiß, dass ich nicht mehr gesund werden kann?“
Dann kann das „Gutwerden“ in diesem Fall bedeuten, dass man es geschafft hat und weiterhin schafft, selbstbestimmt, handlungsfähig und mit bestmöglicher Lebensqualität zu leben und mitzugestalten.

 

 

 

Es wird alles wieder gut werden! Dieses Wort ist ein Zauberspruch. Überall im Leben ist ein steter Wechsel von Schatten und Licht, und jedes Übel bringt uns neue Anwartschaft auf Gutes; wer diesem Guten entgegenhofft, der genießt schon im vorhinein die Zinsen eines noch nicht fälligen Kapitals.
(Peter Rosegger)

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