Glitterstaub mit Maria Callas

Also gut, die Sache ist die:

 

Mir reicht's.

Gerade jetzt, da mir aufgrund der nahenden Lehrabschlussprüfung die Zeit wie ein Flaschenhals eng zu werden droht, habe ich beschlossen, mich nicht mehr mit Nebensächlichkeiten, Zeit- und Energieräubern auseinanderzusetzen.

 

Ich muss wirtschaftlich und effizient vorgehen, wenn ich mich nicht verzetteln und Luftblasen schlagen will.

All das hält mich auf, bremst mich, ermüdet mich.

 

Ich habe keine Geduld mehr.

Ich mag nicht mehr naiv sein.

Ich will nicht mehr hoffen, warten, das Gute aus Dingen rauskitzeln wollen, die es einfach nicht wert sind.

Aus.

Schluss!

 

Dies ist meine Abrechnung.

 

...

 

So...

... nachdem ich nun vermutlich eure Aufmerksamkeit habe, muss ich euch enttäuschen. ;-)

Dies wird nun doch kein Rache-Manifest der menschlichen Enttäuschung.

Keine Bloßlegung meiner zarten Seele, kein klischeebeladenes Jonglieren mit emotionalen Unzulänglichkeiten und -begehrlichkeiten.

Sowas mache ich doch nicht.

 

Es bleibt verschwommen.

Wie ich selbst.

 

Oh, es gab durchaus Zeiten, da war ich ob diverser eingeschlagener zwischenmenschlicher Sackgassen und Cliffhangern einerseits untröstlich/nachtragend und andererseits schockgefrostet/anästhesiert.

Da war ich auch mal wütend.

Scheißwütend.

 

Hinterfragte Enttäuschungen ("Was stimmt nicht mit mir?") wechselten sich ab mit beklommenen Einsichten ("Es muss an mir liegen.") und wurden abgelöst von wütenden kognitiven Entgleisungen ("Es liegt an den anderen!") ... und am Ende drehte ich mich wie ein Hündchen im Kreis, legte mich hin und schlief eine Runde, um am nächsten Tag das gleiche Drama von vorn abzuspulen.

 

Mit dem Krebs ... da war das irgendwie noch einfacher.

Da stand ich also voll im Chemosaft, und die einen waren da, nahmen teil und sahen und sprachen und taten nichts anderes als sonst auch.

Ich war noch dieselbe wie vorher und bekam das auch gespiegelt.

 

Klar, da war auch die "Huuuuch, du siehst ja gar nicht krank aus, wie machst du das?"-Fraktion, die schrapnellartige Neugiersvorstöße praktizierte und in Rekordzeit auch wieder abtauchte (oder überhaupt gar nie auftauchte), aber so klar wie zu dem Zeitpunkt konnte ich nie wieder Spreu von Weizen trennen.

 

Mit offenem Interesse konnte ich dagegen super umgehen, auch wenn mir klar war, dass die ausgedehnten Brunches, bei denen ich meine neuesten Wie-vertrage-ich-die-aktuelle-Chemo-Stories zum Besten gab, direkt proportional zu meiner (hoffentlichen) Heilung abnehmen würden (was dann auch so war).

 

Doch ich konnte halt immer gut über meinen Krebs reden.

"Erst hatte ich ein Melanom und durch die Untersuchungen entdeckte man dann auch noch einen Tumor in der Brust."

Diesen gebetsmühlenartig wiederholten Satz, den ich immer wieder stolz proklamierte (und noch proklamiere), hätte ich mir eigentlich patentieren lassen sollen.

Na hey... wenn das nichts Besonderes war: zwei Krebse gleichzeitig. Nicht so langweilig nur ein Karzinom, sondern volles Programm. Gänsehaut! Meine Zaungastschar war in den Anfangszeiten beachtlich.

Ich hätte damals schon ein Buch schreiben sollen. Man hätte es mir aus den Händen gerissen!

 

Aber wie gesagt - ich hatte kein Problem. Weder mit dem Glatze zeigen, noch mit dem flache-Brust-zeigen, noch mit dem Mut und Humor zeigen.

Ich war die (hoffentlich noch eine ganze Weile lang) lebende Verkörperung der strahlenden Krebskriegerin in glänzender Rüstung, mit nie still stehendem Mundwerk (auf Fragen antwortend sowieso nicht und sonst auch nicht).

Meine Wangen glühten in schönstem Cortison-Kirschrot und meine (damaligen) 103 kg Lebendgewicht widersprachen dem Klischeebild einer ausgemergelten, bettlägerigen Sterbenskranken.

 

Ich war stark.

Für manche vielleicht zu stark.

 

Jetzt, da das - hoffentlich - hinter mir liegt, und jetzt, da noch andere Dinge hinter mir liegen (eine langjährige, nur noch theoretisch vorhandene Beziehung, zum Beispiel... oder auch: Freundschaften),

da weiß ich:

Es ist noch etwas übrig von mir.

Ein erst mühsam zusammengekehrtes Häufchen Glitterstaub, das wieder zu einer glänzenden Figur zusammengeklebt wurde... nach und nach.

Nur, dass ich dieses glänzende Element manchmal selbst nicht sehe.

Ich sehe mich dann trotzdem noch verblasst.

Müde.

Enttäuscht.

Verletzt.

... Irgendwann abgestumpft und gleichgültig(er).

Aber dennoch - es ist noch etwas übrig.

 

Ich habe nur keine Geduld mehr, mich mit der Sprachlosigkeit auseinanderzusetzen.

In die Falle des vorgegebenen Interesses zu taumeln und dann am ausgestreckten Arm zu verhungern.

Ich habe keine Lust mehr, den kleinen Finger auszustrecken und ihn postwendend umgebogen zu bekommen.

Ich habe nicht mehr den langen Atem, mich vor den Spiegel zu stellen und die Fehler immer und immer wieder bei mir zu suchen und mich selbst auf Fingerhutgröße schrumpfen zu sehen.

 

In all dem zwischenmenschlichen Schutt muss ich manchmal graben nach meinem eigentlichen Wert, den ich zu oft untergraben ließ und - noch schlimmer - selbst untergrabe.

 

Wenn ich dann in den Ruinen meines täglichen Wahnsinns die staubige Fahne wehe (Ist es eine weiße Fahne? Ist es eine Regenbogenfahne? Man weiß es nicht.) und aufstehe und mich stemme gegen Ignoranz und Unsichtbarkeit, dann könnt ihr sie sehen - meine glänzende Rüstung.

 

Könnt ihr sie sehen?

 

Könnt ihr?

 

Und während ich hier mit nassgeschwitzten Ohrläppchen diesen nun leider doch klischeebeladenen Manifestivitätstext in die wehrlosen Tasten haue und ihr euch fragt, ob ich zuviel Desinfektionsmittel gesoffen habe und ob ich tatsächlich dieser arme queere, ehemals krebskranke Wicht bin, der für die halbe Welt unsichtbar geworden ist, oder ob ich mir einfach nur aus purer Welches-Thema-verwurste-ich-heute-im-Blog-Ideenlosigkeit einen Spaßartikel aus den kichernden Poren quetsche, dem sei die Antwort auf die Frage hiermit verraten:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Knight smiley

 

P.S.: Maria Callas war ein echt guter Soundtrack für diesen Text - kann ich nur empfehlen!


BLITZLICHT - der wöchentliche Kommentar von Monika Hartl, Krebshilfe OÖ

 

 

Das Leben mitgestalten – was nicht passt, wird passend gemacht

Es gibt Dinge, Situationen, Begebenheiten,... die wir nicht wirklich beeinflussen können.

Sie passieren.

Sie passieren uns.

 

Was ich damit meine?
Zum Beispiel die Corona Pandemie, die uns seit 2 Jahren weltweit in Atem hält.

Oder der schreckliche Ukraine Krieg, der uns alle fassungslos macht.

Naturkatastrophen, wie Überschwemmungen, Erdbeben und Stürme. (Natürlich kann jeder einzelne etwas zum Umweltschutz beitragen….)

Ein Stromausfall, eine Straßensperre, die unerwartet durch einen Unfall nötig war und Vieles mehr…

Ich denke, Sie wissen was ich meine.

 

Auch eine Krebserkrankung kann passieren.

Unerwartet, plötzlich, trotz davor gesunder Lebensweise.

Und schon ist nichts mehr wie es war.

Diejenigen, die regelmäßig Marlies‘ Blog und das Blitzlicht der Krebshilfe OÖ lesen, wissen es schon.

Eine Krebserkrankung betrifft nie „nur“ die Gesundheit, sondern eben auch den gesamten Alltag der Erkrankten, ihrer Angehörigen und Freunde.

 

Der gewohnte Alltag steht Kopf, man leidet unter massiven Sorgen und Ängsten, muss sich plötzlich mit medizinischen Begriffen vertraut machen, verbringt sehr viel Zeit Im Krankenhaus, muss sich mit Wirkungen und Nebenwirkungen der Therapien auseinandersetzen, benötigt meistens einen recht langen Krankenstand, hat Sorge die Arbeit zu verlieren, oder nie wieder die nötige Kraft dafür zu haben, merkt, dass Freund:innen nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, sich zurückziehen und manchmal auch nie wieder auftauchen und, und, und.

Dazu kommt die eigene Gefühlsachterbahn, bei der Gefühle auftauchen, die Mann/Frau vorher gar nicht gekannt hat und das Bemühen darum – trotz allem – bei Kräften zu bleiben.

 

Puuuh, da geht einem – also mir – schon beim Schreiben fast die Luft aus!

Bei allem was uns passiert hoffen wir natürlich, dass alles gut ausgeht und dass alles gut wird.

Dass das „Schlimme, Böse, Bedrohliche, Schmerzvolle,…schnell wieder aufhört.

 

Manchmal kann man nur Abwarten und Hoffen.

Meistens kann man trotzdem auch etwas tun – innerhalb des möglichen Rahmens.

Immer ist es hilfreich etwas zu tun und nicht nur Mitfahrende/Mitfahrender zu sein, sondern eben selbst am Steuer zu sitzen.

 

Was wir z.B. gegen Corona (gegen noch höhere Ansteckungszahlen) machen können, ist allseits bekannt.

Was den Krieg betrifft, können wir gar nicht oft und laut genug unsere Haltung dazu betonen und versuchen, zu helfen wie und wo es geht.

 

Was eine Krebserkrankung betrifft, ist es hilfreich herauszufinden, wer und was einem gut tut.

Und zwar immer wieder neu.

Nach der Diagnosestellung, während der Therapie, in der Nachsorgezeit und eben auch noch lange Zeit danach.

 

Was uns widerfährt, was wir erleben, was wir lernen und erfahren, prägt uns, lässt uns weiter lernen, weiterentwickeln, verändert uns – und bringt uns hoffentlich auch weiter.

In dem Beratungen beschreiben uns Betroffene manchmal, was sich durch die Diagnose in ihrem Leben nachhaltig verändert hat, wie sie „ausgemistet“ und „aufgeräumt“ haben und nun sehr achtsam filtern, wie und mit wem sie ihre wertvolle Zeit verbringen.

Sie erzählen, dass sie aufgehört haben, sich dafür zu rechtfertigen, dass sich manches und/oder auch sie selbst durch die durchgemachte Erkrankung verändert hat.
Gut so!

 

Darauf zu warten, dass z.B. Freund:innen sich doch wieder melden, dass die Menschheit toleranter, verständnisvoller wird, dass alles von ganz alleine wieder gut wird ist zwar gutgläubig und nachvollziehbar, aber nicht immer zielführend.

 

Nehmen Sie IHR Leben in die Hand.

Entscheiden Sie, wie und mit wem Sie Ihre Zeit verbringen und wie Sie IHR Leben gestalten.

Selbstbestimmt, aktiv.

Seien Sie die Person, die am Steuer sitzt und nicht die, die darauf wartet, wohin sie gefahren wird.

 

Vielleicht helfen Ihnen diese Motivationsätze/-fragen von John F. Kennedy:

Wer, wenn nicht ich!“

Wann, wenn nicht jetzt!“

Wo, wenn nicht hier!“

 

Sorgen Sie gut für sich!
Machen Sie was Ihnen gut tut und umgeben Sie sich mit Menschen, die Ihnen gut tun.

Misten Sie aus!“

Jetzt!

 

 

So viel Dinge kommen zurück und werden wieder in. Kann es kaum erwarten, bis Moral, Respekt und Intelligenz wieder im Trend sind.“
(
Denzel Washington)

 

 

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