Stark!

Da ist dieser Mann im Osten, mit dem frostigen Gesicht.

Wenn ich an ihn denke, denke ich an eine Nachbarin meiner Eltern.

 

Meine Eltern wohnen in einem Haus in einem eher ländlichen Gebiet, mit mehreren Mietwohnung und einem Gemeinschaftshof und -garten.

In diesem Hof/Garten (und in der näheren Umgebung) kreucht und fleucht allerlei Getier. Katzen jeder Coleur, und wenn nicht vor über einem Jahr die letzte der drei Enten sich über die Entenregenbogenbrücke aufgemacht hätte, dann gäbe es nicht nur die schnurrenden Haustiger, sondern auch noch die drei Schnabelgenossen.

 

Apropos Genossen - denn damit wären wir wieder bei der besagten Nachbarin.

Sie hat - vor Jahren, wohlgemerkt - einen ihrer Kater Putin genannt.

Es ist nicht überliefert warum. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass die Dame ein Fan des russischen Präsidenten war oder ist.

 

Nun klang es schon vor einigen Jahren ziemlich skurril, wenn man hörte, wie sich ein Fenster öffnete und eine hohe Frauenstimme quer über den Hof schallte:

"Puuuuuuutin!!! Putiiiiiiiiin!"

 

Damals habe ich mich verständlicherweise vor Lachen gekringelt, wenn ich zu Besuch bei meinen Eltern war und das zufällig mitbekam.

Heute ist das freilich nicht mehr lustig bzw. wäre es das nicht, denn irgendwie will ich mir nicht so recht vorstellen, dass immer noch so inbrünstig nach dem absentierten Fell-Wladimir geschrien wird.

Wer weiß - vielleicht wurde der schmächtige Kater (der übrigens tatsächlich ein ähnlich eingefrorenes Gesicht wie sein Namenspate hat) ja inzwischen umgetauft... wobei, nein, das glaube ich nicht.

 

Was das hier soll?

Warum ich wertvollen Blog-Text"platz" verschwende?

Na ja, vielleicht habe ich ja das Gefühl, auch einmal etwas zu dem Thema, das uns jetzt seit ein paar Wochen beschäftigt, sagen zu "müssen".

Aber wie fängt man da an?

Nun... am besten gar nicht. Eine allgemeine Zusammenfassung der Geschehnisse sehen und hören wir ohnehin in den Nachrichten, und auch wenn die Berichterstattung sehr, sehr... SEHR unterschiedlich ist und mir dieses zwanghafte Einteilen in "Gut"- und "Böse"-Schubladen ziemlich sauer aufstößt - NEIN... da muss ich nicht auch noch meinen Senf dazugeben.

 

Außer bei einer Sache, und da möchte ich wieder mal eine - wenn auch bewusstermaßen unpassende - Brücke zum Thema Krebs schlagen.

 

Der ehemalige KGB-Mann Wladimir Putin hat einen - vermutlich lang geplanten - Krieg vom Zaun gebrochen, und jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Wir werden nicht erleben, dass dieser Mensch zurücksteckt und nachgibt.

Er wird definitiv keine Schwäche zeigen.

So wurde er erzogen (das ist eine Sache von Generationen), so sind die Idealvorstellungen in seinem Kopf... wie ein "starker Mann" zu sein hat.

 

Aber Obacht!

Gilt das für ihn allein? Ich meine - nein.

Da ist auch noch sein unmittelbarer Gegenspieler: der ukrainische Staatscjef Selenskyj.

Auch die umzingelte Stadt Kiew hat ein wohlbekanntes Gesicht: Wladimir Klitschko.

Etwas weiter entfernt rasselt noch eine andere Spielfigur mit den Säbeln: US-Präsident Joe Biden.

 

Was haben diese Herren gemeinsam?

Sie zeigen alle Stärke. Einige von ihnen versuchen auch Mut und Zuversicht zu zeigen und steigen in der Gunst vieler Menschen zu "Helden" auf.

Niemand von ihnen zeigt Schwäche.

Wer Schwäche zeigt, hat schon verloren. Das können auch die "Friedensgespräche" nicht ändern.

Auch wenn Tausende von Menschen sterben... auch wenn Zigtausende flüchten müssen....

... es wird nicht aufgegeben.

Ist das gut? Ist das schlecht?

Darüber maße ich mir kein Urteil an.... aber wie gesagt: diese Unterteilungen in Helden und Verbrecher, "gute" und "böse" Flüchtlinge, "gute" und "böse" Waffen.... all das frustriert, erschöpft und ärgert mich.

Weil auf den so vieler leidender Menschen, so vieler Kinder, all dies ausgetragen wird.

 

Nun zum hinkenden Vergleich mit der Stärke und der Schwäche (doch doch, ich kann das):

 

Als ich vor bald 10 Jahren schwer erkrankte, entzündete sich nach dem ersten Schock der wohlbekannte Funken, der diesem Blog seinen Namen gab.

Dieser Funken ließ in mir den Kampfeswillen erwachen. So war es.

Ich weiß, dass viele Krebspatienten und -angehörige die Krankheit mit nichts "Kriegerischem" assozieren wollen. Ich verstehe das. "Gegen den Krebs kämpfen"... dieser Ausdruck wird - vor allem von Boulevardmedien - gerne überstrapaziert, und viele möchten dieses einschneidende Lebensereignis nicht mit einem "Kampf" und einer ähnlich negativ behafteten Konnotation verbunden sehen.

 

Ich dagegen sah es gerne so. Mir gab es Kraft, mich als Krieger zu sehen, der mit funkelnder Klinge den Krebszellen den Garaus macht.

Selbst meine Umwelt nahm mich so wahr. Das löste mitunter Erstaunen aus.

"Ich hätte nicht gedacht, dass du SO stark sein kannst!"

"Unglaublich, diese Energie, mit der du da durchgehst!"

 

Mir gefiel das, ich gebe es zu. Es nährte den "Kampfgeist" in mir, es befeuerte die Bilder in meinem Kopf. Ich sah meine "chemischen Waffen", und ich sah mich auf meinem persönlichen, privaten Schlachtfeld. Klar hatte ich so einige Verbündete, aber den eigentlichen Kampf kämpfte ich doch allein. Mit Stolpersteinen und -fallen und allem Drum und Dran. Wenn ich denn dazwischen auch mal "schwach" war, dann war ich das eben.

 

Das ist nicht der Zugang für jeden, ich weiß.

Für mich war es der einzige, der mich nicht verzweifeln ließ.

Ich kämpfte... ohne Verbissenheit und mit soviel Humor, wie ich zusammenkratzen konnte.

Ich war durch den Verlauf der Therapie in der Position, dass ich mir das auch immer mehr "erlauben" konnte.

Wie ich jedoch weiß, ist nicht jeder an Krebs erkrankte Mensch in dieser Position.

 

Aber eines ist mir auch klar:

Ich war zweifellos stark... so stark, wie ich vorher und auch danach wieder gewesen bin.

Doch ich kannte und kenne Menschen mit noch mehr von dieser Stärke, diesem Lebenswillen und einer fast unerschöpflichen Energie, sich der Krankheit - teilweise wieder und wieder - entgegenzustemmen.

 

Stärke ist nicht immer offensichtlich.

Stärke hat nicht immer nur mit Waffenrasseln und martialischen Posen zu tun.

Stärke bedeutet nicht automatisch, dass man sich von seinem Weg nicht abbringen lässt.

Stärke ist nicht das Gegenteil von Schwäche.

Stark zu sein bedeutet nicht, dass man nur an sich selbst denkt.

 

Stark zu sein heißt auch, dass man (für den Moment) akzeptiert, was man (im Moment) nicht ändern kann.

Stark zu sein heißt, dass man sich erlaubt, das Leben von jeder erdenklichen Seite zu betrachten und den Mut hat, den Tod dabei nicht auszuschließen.

Stärke bedeutet - auch wenn die Phase verbraucht ist - Hinfallen und Wiederaufstehen.

 

Und:

Stärke hat es nicht nötig, Schwäche auszuklammern und - auf der anderen Seite - auszunutzen.

 

Vielleicht sollte das mal jemand dem Mann im Osten sagen.

 


BLITZLICHT - der wöchentliche Kommentar vom Beratungsteam der Krebshilfe OÖ

 

Text: Mag. Monika Hartl (Psychoonkologin, Gesundheits- und klinische Psychologin)

 

 

Kämpfe austragen

 

Als Kampf (von althochdeutsch kampel „Zank“, von lateinisch campus „(Schlacht)Feld“) wird eine Auseinandersetzung zweier oder mehrerer rivalisierender Parteien bezeichnet, deren Ziel es ist, einen Vorteil zu erreichen oder für das Gegenüber einen Nachteil herbeizuführen. Die angreifende Seite wird in der Regel als Aggressor bezeichnet. Ein Kampf kann u. a. mittels gewaltsamer Handlungen, in Form von ausgetragenen Kontroversen, als wirtschaftliche Konkurrenz, als sportlicher Wettbewerb oder in virtueller Form in Computerspielen geführt werden. Oft hilft eine Strategie dabei, einen Vorteil zu gewinnen. Mit Kampf kann auch eine große Anstrengung gemeint sein, mit dem Ziel, sich selbst zu beherrschen, Widrigkeiten zu überwinden oder in einer Situation zu bestehen (zum Beispiel „gegen den Wind ankämpfen“, „gegen den inneren Schweinehund kämpfen“, „um Anerkennung kämpfen“).“
(Quelle: Wikipdia)

 

Diesen Samstag wird es in Wien aus gegebenem Anlass ein außergewöhnliches Konzert geben, ein „Mega-Konzert der Austrostars gegen den Ukraine-Krieg“.

Kein Konzert gegen etwas, sondern für den Frieden“, wie Marco Wanda beteuert. (Marco Wanda ist der Sänger der Band Wanda).

 

GEGEN?

Oder - nicht GEGEN sondern FÜR?
Beides gibt es und beides kann und darf sein!

 

Wie ist das bei einer Krebserkrankung?

 

Wie immer – ist das natürlich individuell, aber eines ist sicher:
Worte – gedacht, gesprochen, gehört – machen etwas mit uns.

 

Was motiviert mich?

Was gibt mir Kraft?

Was lässt mich durchhalten?

Was gibt mir Hoffnung und Zuversicht?

 

Marlies beschreibt in ihren großartigen Beiträgen sehr persönlich, wie es ihr damals (und auch heute) gegangen ist, welche Bewältigungsstrategien ihr geholfen haben.

 

Dieses Mal lässt uns Marlies an ihrem persönlichen Kampf gegen den Krebs teilhaben.

 

Kampf?

Für manche Betroffene ein „Anti-Wort“!

Kampf ist oft negativ behaftet, wird mit furchtbarer Anstrengung, Schmerzen (körperlich und psychisch), Verbissenheit und Leid in Verbindung gebracht.

 

Kampf!

Für manche kann es aber bedeuten, den Kampfgeist zu stärken und dadurch motiviert den Kampf gegen das Böse/die Krankheit/die Ungerechtigkeit/ aufzunehmen.

Zielstrebig.

Siegessicher.

Stark.

 

Wie auch immer Mann/Frau es formulieren möchte – es geht um unsere Beweggründe, es geht um das Ziel.

 

Für das, was uns gerade wichtig ist.

Für das, was gerade nötig ist.

Um die Hoffnung nicht zu verlieren und durchzuhalten.

 

Für die Gesundheit/gegen die Krankheit!
Für meinen Gesundheitsverlauf/gegen meinen Krankheitsverlauf!

Für mein Wohlbefinden/gegen mein Unwohlsein (körperlich und psychisch)!

Behütend, umsorgend, schonend für meine Gesundheit/oder wie Marlies „mit funkelnder Klinge gegen die Krankheit“!

 

So oder so.
Wir können es nur auf unsere einzigartige, ganz spezielle Art und Weise machen.

Jeder für sich.

Du für dich.

Ich für mich.
Mit Rücksicht aufeinander und Respekt voreinander.

Für die Gesundheit.

Für den Frieden.

 

Und wir können nur versuchen, weiterhin mit Mut und Zuversicht durch all die Krisen gehen, die uns das Leben entgegenbringt.

Die ganz persönlichen, aber auch die, die alle Menschen betreffen, wie wir in den letzten Jahren und vor allem in den letzten Tagen fassungslos erleben mussten.

 

 

Es ist unglaublich, wie viel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag.“
(Wilhelm von Humboldt)

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Sabine (Mittwoch, 16 März 2022 06:14)

    Bravo