Epirubicin mit Zimt

Was ist der beste Geruch der Welt?

Darüber gehen die Meinungen - je nach persönlicher Vorliebe - natürlich auseinander.

 

Was mich betrifft:

Ich rieche gerne aufgeschnittene Zitronen. Oder warmes Grießkoch mit Zimt (erinnert mich an die Kindheit). Auch frisch gedruckte Zeitschriften oder Bücher haben für mich einen unwiderstehlichen Duft. Ich bilde mir auch ein, ich kann Vinyl-Schallplatten riechen, aber das ist wohl mehr Wunschdenken.

Ich könnte wohl noch viel mehr aufzählen.

 

Gerüche und Düfte - ich habe es schon angedeutet - bringen uns auch Erinnerungen zurück. Manchmal betrifft es solche, die uns angenehme Assoziationen bescheren... wie das warme Grießkoch.

 

Ich sitze in der Wohnküche meiner Großtante, und der feine Duft des Zimts auf dem Brei lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Meine Beine auf dem Sessel reichen nicht auf den Boden, und mein Löffel bewegt sich über den Tellerrand, denn dort ist das Grießkoch nicht so heiß. Ich arbeite mich von außen nach innen vor - bis ich die süße Zimtmitte erreiche.

Ich fühle mich wohl und geborgen.

 

Bis heute verbinde ich mit dem Duft von Zimt Gefühle von Vertrautheit und Sicherheit.

Ja, vermutlich ist dieser also mein persönlicher "bester Geruch der Welt".

 

Es ist kaum möglich, nicht zu riechen.

Dazu müssen wir schon einen ordentlichen Schnupfen haben oder uns die Nase zuhalten.

 

Meine jahrelange "Raucherkarriere" hat auf alle Fälle dafür gesorgt, dass mein Geruchssinn nicht mehr ganz so fein und ausgeprägt war - nur ist mir das gar nicht aufgefallen.

Als es mir vor vielen Jahren einmal gelungen war, das Rauchen für immerhin zwei Jahre aufzugeben, erschnupperte ich nach wenigen Tagen Abstinenz auf einmal Nuancen, die ich komplett vergessen hatte. Ja, ich lief vermutlich eine ganze Zeitlang mit geblähten Nasenflügeln durch die Gegend.

 

2012 dann wurde mein Körper von der Chemo in Beschlag genommen.

Gerüche... ja, die waren in dieser Zeit natürlich auch ein Thema. Zuerst nicht so sehr, aber mit jeder Chemogabe wurde mein Geruchssinn empfindlicher.

Als in der Mitte der Zyklen die Zytostatika umgestellt wurden und die letzten drei Male eine grell-orangerote Flüssigkeit (Epirubicin) in meine Venen floss, begann mein Riechvermögen zu rebellieren.

 

Allmählich roch alles mehr und mehr nach Chemie.

Im Krankenhaus sowieso das meiste. Dazu noch die Atemluft, die Raumluft, mein Urin, mein Schweiß, eigentlich alles an mir.

Und dann.... auch noch mein Morgenkaffee.

Er roch danach.

Er schmeckte danach.

ALLES roch und schmeckte danach.

Chemie, Chemie, Chemie.

(Wie ich jedoch weiß, war es nur meine eigene Empfindung - andere rochen nicht das Gleiche. Zum Glück.)

 

Ich gestehe, mir hat sie so einiges abverlangt, diese Geruchsabneigung mit stets dezentem Magen-nach-oben-Stülpen.

 

Epirubicin war mein persönlicher Chemo-"Antichrist".

Da war's dann zwischenzeitlich auch mal vorbei mit "Ich-will-diese-Chemo-mit-Haut-und-Haar-und-wehre-mich-nicht-dagegen".

 

Es ging vorüber.

Der Krebs, und auch dieser spezielle ungewollte Superkräfte-Geruchssinn.

Jedoch: Manchmal habe ich so etwas wie olfaktorische "Flashbacks", und das mitunter auch ganz ohne Trigger.

Die Auslöser gibt es auch: Man kennt ja dieses eine Zeitlang sehr hippe Likör-Mischgetränk mit - richtig! - grell-orangeroter Farbe. Mal abgesehen davon, dass es mir ohnehin nicht schmeckte ... es löste auch wieder das altbekannte Fahrstuhl-nach-oben-Magengefühl aus, immer wenn ich es sah.

Und da war auch mal eine Rote-Rüben-Suppe, wegen der ich den Tisch verließ.... puh... lassen wir das.

 

Ansonsten kann ich es oft nicht an bestimmten Augenblicken festmachen - manchmal ist der "Chemieduft" einfach wieder da. Für eine Sekunde oder zwei.

Ich schmecke ihn förmlich auf der Zunge. Wenn ich will, kann ich das ganz bewusst tun.

 

Aber es gibt noch mehr Gerüche, die mir "von damals" in den Sinn kommen.

Gerüche, die für die meisten unangenehm bis gruselig sind:

Desinfektionsmittel.

Der spezielle "Duft" im OP-Aufwachraum.

Ich mochte das.

Wie man durch vorherige Blog-Beiträge von mir schon weiß, fühlte ich mich durch meine Erfahrungen im Krankenhaus so gut wie durchgehend "geborgen".

 

Eins ist aber fix: Grießkoch mit Zimt ist allemal besser!

Es soll mich also bitte und hoffentlich niemals ein Chemo-"Geruchstrauma"-Albtraum einholen:

 

Ich sitze in der Wohnküche meiner Großtante, und der feine Duft des Vanillepuddings lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Meine Beine auf dem Sessel reichen nicht auf den Boden, und mein Löffel bewegt sich über den Tellerrand, um den Pudding vom Schüsselrand zu lösen.

Irgendwas fehlt da noch.

Mehr Süße, genau.

Ich greife unbeholfen nach der in Reichweite stehenden Flasche und kippe eine Ladung Epirubicin-Orangensaft-Likör-Mixgetränk-Sirup auf den mitleiderregenden Vanillepudding.

Mein Magen stülpt sich nach oben...

 

... und ich erwache mit klopfendem Herzen.

 

Jetzt erst mal einen Kaffee ... mit ZIMT!

 


BLITZLICHT - der wöchentliche Kommentar vom Beratungsteam der Krebshilfe OÖ

 

Text: Mag. Monika Hartl (Psychoonkologin, Gesundheits- und klinische Psychologin)

 

 

Sinneseindrücke

 

Wir Menschen haben 5 Sinne.

Wir sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen.

Ja und einige von uns werden gleich ergänzend bemerken, dass sie auch so etwas wie einen 6. Sinn haben.

Vielleicht gibt es einen Sinn, der besonders gut ausgeprägt, oder aber auch vorrübergehend oder dauerhaft beeinträchtigt ist.

Solange unsere Sinne funktionieren, nehmen wir sie als selbstverständlich an und im Alltag oft gar nicht bewusst wahr.

Jedoch können wir mit all unseren Sinnen bewusst achtsam sein und dies auch als Achtsamkeitsübungen lernen und einsetzen.

Dazu später ein Beispiel.

 

Das Wahrnehmen durch unsere 5 Sinne löst immer auch Emotionen in uns aus. Hier nur ein paar positive Eindrücke dazu.

  • Ein Sonnenuntergang oder -aufgang, die ersten Frühlingsblumen, eine Sternschnuppe, ein Bergpanorama, der Anblick eines vertrauten Menschen….

  • Musik, die uns motiviert, an schöne Momente erinnert, uns so berührt, dass Tränen fließen….

  • Der Geruch unseres Lieblingsessens, Salzwasser, das Urlaubserinnerungen auslöst, Schnee in der Luft, frisch aufgeblühte Rosen, Kräuter im Garten, Waldluft,…

  • Das Lieblingsessen, von Oma gekocht, frisch gebrühter Kräutertee, Kaffee, die erste Süßigkeit nach der Fastenzeit,….

  • Berührungen, die uns Halt und Geborgenheit geben, uns wärmen und trösten und uns geliebt fühlen lassen….

Genau so gibt es natürlich auch negativ verknüpfte Sinneswahrnehmungen, die uns sofort ein Schaudern über den Rücken zaubern können.

 

Krebspatient:innen haben in der Zeit der Diagnose und der Behandlungs- und Nachsorgephase viele sehr intensive, prägende Sinneseindrücke. Positive, aber auch negative und auch Nebenwirkungen, die die Sinneswahrnehmungen beeinträchtigen.

Eine sehr unangenehme, vorübergehende Nebenwirkung einer Chemotherapie kann z.B. ein veränderter Geschmack sein, so wie Marlies es auch beschreibt.
„Alles schmeckt zu chemisch, metallisch, komisch, eklig...“, wie Betroffene dies in Gesprächen oft beschreiben.

Hier kann ich übrigens sehr die Ernährungsberatung der Krebshilfe OÖ empfehlen. Unsere Expert:innen haben hilfreiche Tipps für Sie und beraten und begleiten Sie gerne.

Aber auch Polyneuropathien, also Missempfindungen in Händen und Füßen können eine gefürchtete Nebenwirkung sein.
Ebenso frieren, oder Hitzewallungen, Appetitlosigkeit, Geruchsempfindlichkeit und Vieles mehr.

Das alles prägt und hinterlässt Spuren.

 

Hier ein paar Negativ-Assoziationen:

  • Ich kann momentan nicht mal als Besucher:in ins Krankenhaus. Ich halte den Geruch dort nicht aus.“

  • Ich schlafe nur noch in dunkler, oder bunter Bettwäsche, weil mich das sonst so sehr ans Krankenhaus erinnert.“

  • Ich kann dies/oder das nicht essen, weil mir beim letzten Mal nach dem Essen so übel wurde und ich mich übergeben musste.“

  • Jedes Mal wenn ich einen Notarzt mit Blaulicht sehe/höre, beginne ich zu zittern.“

  • Ich brauche nur über Krebs lesen, oder hören und schon ist alles wieder da.“

Natürlich können auch positive Assoziationen ausgelöst werden.

  • Dort bin ich behandelt und wieder gesund geworden.“

  • Hier fühle ich mich sicher und gut aufgehoben.“

 

Wir können das Wahrnehmen unserer Sinne bewusst einsetzen, um angenehme Gefühle zu erzeugen.

Falls Sie sich gerade mitten in einer Krebstherapie befinden, oder aus anderen Gründen wieder einmal ins Krankenhaus müssen und dies ein mulmiges Gefühl bei Ihnen auslöst, könnten Sie das gleich ausprobieren.

  • Hören Sie Musik, die Sie lieben.

  • Nehmen Sie sich Ihren Lieblingsduft mit. Z.B. Parfüm, ein Lieblingsgewürz, Zitronenöl, Kräuteröl, Zimtöl, Lieblingskörpercreme,…

  • Schauen Sie sich Fotos und Bilder an, die angenehme Emotionen auslösen.

  • Nehmen Sie sich eine Lieblingsnascherei mit.

  • Ein Glücksbringer passt sicher auch in die Tasche

  • Oder nutzen Sie Ihre Fähigkeit für Phantasiereisen und begeben Sie sich mit allen Sinnen an einen gewünschten Ort, in eine vertraute Situation, erinnern Sie sich an besonders schöne Momente…. und schon kann es sein, dass Sie sich wohliger, entspannter, glücklicher und geborgener fühlen.

 Und verwöhnen Sie sich auch im Alltag ganz bewusst mit positiven Sinneseindrücken, so wie Marlies z. B. mit einer Tasse Kaffee mit Zimt.

 

Anbei ein Beispiel für eine Achtsamkeitsübung mit Hilfe unserer Sinne, um sich zu zentrieren, um aus einer

Negativgedankenspirale zu kommen, oder auch als Einschlafhilfe.

Bei der 5-4-3-2-1 Methode (nach Betty Erickson bzw. Yvonne Dolan) geht es darum, die Aufmerksamkeit ganz

gezielt auf das Hier und Jetzt zu legen.

 

Sie beginnen die Übung indem Sie zunächst fünf Dinge in Ihrer Umgebung aufzählen, die Sie sehen. Sie müssen dabei nichts Besonderes entdecken. Nehmen Sie einfach 5 verschiedene Dinge wahr und lassen Sie sich dabei so viel Zeit wie Sie möchten. Zählen Sie diese Wahrnehmungen laut oder in Gedanken auf.
Bemerken Sie dann fünf Dinge, die sie
hören können und benennen Sie diese ebenso. Danach nehmen Sie nacheinander fünf Dinge wahr, die Sie spüren können.
Sie wiederholen den Ablauf dann entsprechend dem Titel der Übung mit 4,3,2 und zuletzt einer Wahrnehmung pro genannter Sinnesmodalität. Der letzte Durchlauf kann mehrmals wiederholt werden.

 

Wir haben wunderbare Sinnesorgane bekommen; sie sind die Tore der Wahrnehmung, die Pforten zum Himmel.
Albert Hofmann

 

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