Fachmensch des Lebens - Heilsbringer, Part 2

Komm, setz dich her zu mir.

Ich erzähl' dir eine Geschichte.

 

(Äh... nein. Zu melodramatisch.)

 

...

 

Du, ich möchte mal mit dir reden.

Weil - ich weiß Bescheid.

 

(Brrr... nein, irgendwie präpotent.)

 

...

 

Also - ich sag dir jetzt, was du tun sollst.

 

(Ja - genau. Sonst noch was? So wird das nix.)

 

Ach, weißt du was?

Wir setzen uns jetzt einfach zusammen, in Ordnung?

Weil... ich weiß, du hast eigentlich viele Fragen (auch wenn du sie kaum stellen wirst) und wahrscheinlich auch viele Ängste.

Trotz der Da-muss-ich-jetzt-durch-Attitüde.

 

Nein, ich werde dir jetzt nicht erzählen, dass ich auf alles eine Antwort habe.

Du bist du, und ich bin ich,

und auch wenn wir jetzt einen gemeinsamen Nenner haben, so sind weder unsere Krankheiten gleich, noch sind wir identische Persönlichkeiten.

 

Ich habe auch nicht die Weisheit mit dem sprichwörtlichen Löffel gefressen, da muss ich deine Erwartungen enttäuschen.

Obwohl... ich glaube, deine Erwartungen an mich sind nicht so hoch.

Dir reicht, dass ich für dich da bin.

Und ich - ich darf nicht zuviel wollen, nicht zuviel "Heilsbringer-Druck" aufbauen.

 

Du darfst mich fragen - und ich darf dir antworten.

 

Ich mache mir keine Sorgen... wir werden unser Tempo, unsere Umgangsweise und die richtige Dosis schon herausfinden.

Jetzt, da wir Verbündete sind.

(Nein, nein... so habe ich mir das nicht gewünscht. Aber wie sagst du immer? Es ist wie es ist.)

 

Ich werde nicht schlaumeiern, nicht herumg'schaftln, nicht klugscheißen.

Ich werde nicht in jeder Hinsicht und auf jede erdenkliche Weise Vergleiche anstellen, die sowieso nicht standhalten, denn - wie war das gerade? Unterschiedliche Krankheiten, unterschiedliche Persönlichkeiten.

 

Aber eins haben wir gemeinsam, und da erinnerst du mich an mich.

Du hast KRAFT, du hast ein Ziel, und du bist nicht melodramatisch, sondern pragmatisch.

 

Ich glaube, dass das hilft.

Ja, das glaube ich ehrlich.

 

Aber über eins müssen wir reden.

Eins ist mir wirklich ein Anliegen, und da werde ich unerbittlich und hartnäckig sein.

Ich werde sichergehen, dass du verstehst, was ich meine und warum das so wichtig ist.

 

Und nein, hier gilt nicht: Unterschiedliche Krankheiten und Persönlichkeiten.

 

Denn, wenn wir die erste Chemotherapie "empfangen" ... sind wir alle gleich.

 

Aber ich möchte, dass du sie willkommen heißt.

Ja, das meine ich ernst.

Versuch es.

Ich meine... niemand wünscht sich, jemals in diese Situation zu kommen, aber nun müssen wir... musst DU das Beste daraus machen.

 

Ich bin kein onkologischer Fachmensch... nur d̶i̶e̶ ̶F̶a̶c̶h̶f̶r̶a̶u̶ der Fachmensch meines Lebens.

Ich war damals auch kein klardenkender Problemlöser, aber ich spürte instinktiv, was ich tun wollte... tun musste.

 

Ich wollte die Chemo.

Ich habe mich - Achtung, jetzt wird's spirituell - ihr geöffnet.

Genauso war's.

 

Zuerst war da Vertrauen - dass diese Option, diese Entscheidung FÜR diese Chemo genau richtig ist.

Dass die Ärztinnen und Ärzte nach bestem Wissen und Gewissen die richtige Wahl getroffen haben.

Es gibt keine Garantie, aber das wusste ich - und das weißt du auch.

 

Ich sag' dir: Es tut wohl, dieses Vertrauen. Es erspart dir Zweifel und innere Kämpfe. Es ebnet dir den Weg und schafft Hindernisse auf die Seite.

 

Parallel zu diesem Vertrauen rate ich dir:

Sei bereit und lass dich darauf ein.

Ja, es wird kein Spaziergang, und ja - dein Körper wird leiden.

 

ABER...

 

... der Krebs, dieser Hund... der soll AUCH leiden.

 

Und wenn du es mir vielleicht nicht glaubst:
Ich habe es zelebriert, als die ersten Chemo-Tropfen den Schlauch verließen und sich über die Vene in der Ellenbeuge im Körper ausbreiteten.

 

Das hilft mir.

Ich will das.

Das ist der Anfang vom Ende der Krankheit.

Ich will das mit jeder Faser meines Körpers.

 

Nein, das hat nichts mit esoterischer Verschwurbelung zu tun, weißt du?

Ich sehe das ganz logisch, und das ist das Wichtige:

 

Wenn ich das hier WILL

mit jeder Faser meines Körpers (und darüber hinaus)

und mich nicht dagegen wehre, skeptisch, ängstlich, zweifelnd, ablehnend bin,

dann werden meine Körperzellen, trunken von meinen positiven Selbstaffirmationen, keine andere Wahl haben als:

die Chemotherapie bereitwillig im Körper zu integrieren und ihre Arbeit zu tun.

Er baut dann keine innere Barriere auf, an der die Zytostatika womöglich abprallen,

und davon abgesehen mache ich es mir selbst in psychischer Hinsicht um einiges leichter.

 

Ich stelle mir vor, wie ein Schwamm alles aufzusaugen, vom Scheitel bis zur Sohle und bis ins kleinste Atom.

 

Ich stelle mir vor, dass ich mir daraus eine (flüssige) Rüstung baue, quasi von innen her, und ich erhalte vollständigen Schutz.

 

Daher bitte ich dich, ersuche ich dich flehentlich und überschreite voller Überzeugung dann doch meine Heilsbringer-Grenzen:

 

Hab' Vertrauen - in die Ärzte und vor allem in dich.

Sei bereit - für alles, was kommt.

Und: Will es.

 

Sei auch du Fachmensch deines Lebens, denn du weißt mehr, kannst mehr, erträgst mehr und schaffst mehr als du denkst.

Ich weiß, das geht.

 

Ich bin kein Heilsbringer - jetzt wird es mir klar:

Dein Heilsbringer... das bist du selbst!

 

Also setz dich jetzt nochmal zu mir,

und ich erzähl dir dann halt doch eine Geschichte:
Eine Geschichte über einen Menschen, der genau wusste,

was er will.

Über DICH.

 

Du schaffst das.

 


BLITZLICHT - der wöchentliche Kommentar vom Beratungsteam der Krebshilfe OÖ

 

Text: Mag. Monika Hartl (Psychoonkologin, Gesundheits- und klinische Psychologin)

 

 

Heute erzähle ich Ihnen ein Märchen.

 

 

Das Märchen von der größten Kraft im Universum

 

 
 

Ein altes Märchen erzählt von den Göttern, die zu entscheiden hatten, wo sie die größte Kraft des Universums verstecken sollten, damit sie der Mensch nicht finden solle...jedenfalls solange nicht, bevor er dazu reif sein würde, um diese Kraft verantwortungsvoll zu gebrauchen.

Ein Gott schlug vor, sie auf der Spitze des höchsten Berges zu verstecken. Aber sehr bald erkannten die Götter, dass der Mensch den höchsten Berg sehr wohl irgendwann ersteigen könnte...und somit die größte Kraft des Universums finden würde, bevor er dazu reif sei.

Ein anderer Gott sagte: "Lasst uns diese Kraft auf dem tiefsten Grund des Meeres verstecken." Aber wieder erkannten sie, dass der Mensch auch diese Region eines Tages würde erforschen können...und demnach die größte Kraft des Universums zu früh finden würde.

Schließlich sagte der weiseste Gott:" Ich weiß, was zu tun ist. Lasst uns die größte Kraft des Universums dort verstecken, wo der Mensch niemals danach suchen wird, bevor er reif genug ist.

UND SO VERSTECKTEN DIE GÖTTER DIE GRÖSSTE KRAFT DES UNIVERSUMS IM MENSCHEN SELBST!
Dort ist sie immer noch und wartet darauf, dass wir sie in Besitz nehmen und weisen Gebrauch davon machen.

 

 

 

Schön, oder?
In jedem Märchen findet man auch zumindest ein Körnchen Wahrheit, etwas Lehrreiches und etwas Hilfreiches.
In diesem Märchen steckt sehr viel Wahres.

 

So gut wie alle Betroffene, die eine Krebsdiagnose erhalten fragen sich, wie sie das alles jetzt schaffen sollen, wie sie durch diese anstrengende, oft sehr lange Zeit der Therapien kommen sollen, dies durch- und überstehen sollen.
Die Frage ist verständlich, alle damit verbundenen Ängste auch.

 

Am liebsten würde ich nicht hingehen und einfach zuhause bleiben“, erzählte mir kürzlich eine Patientin, die unglaubliche Angst vor den Nebenwirkungen der Chemotherapie hatte.

 

Was hilft gegen die Angst?

 
Information
Leicht gesagt.
Vertrauen
Leicht gesagt.
Kraft
Leicht gesagt.
Zuversicht und Hoffnung
Leicht gesagt.

Ja, psychologische „Ratschläge“ sind leicht ausgesprochen, so „daher gesagt“, aber auch darin liegt sehr viel Wahres und es lohnt sich auf jeden Fall es auszuprobieren.

Informieren Sie sich. Schreiben Sie sich alle Fragen bezüglich Ihrer Diagnose und Ihrer Therapien auf und vereinbaren Sie einen Termin zur Befund-/Therapiebesprechung mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt. Im Idealfall gehen Sie mit einer Vertrauensperson zu diesem Gespräch. Es ist völlig normal, dass man anfangs überfordert ist, sich nicht auskennt, das Gefühl hat, im falschen Film zu sein und die ganzen medizinischen Fachbegriffe erst kennenlernen muss. Es braucht Zeit und wahrscheinlich viele Fragen um das alles zu verstehen und akzeptieren zu können und letztendlich mit dem Ärzteteam zusammenarbeiten und als Patient:in „mitarbeiten“ zu können.
„Therapie ereignet sich weder im Arzt noch im Patienten, sondern zwischen beiden” (Michael Balint)

 

Nach einer Krebsdiagnose ist es hilfreich Vertrauen zu haben: in das behandelnde Ärzteteam, in das Krankenhaus, in die Therapien und vor allem Vertrauen zu haben in sich selbst. Auch dem eigenen Körper zuzutrauen, all die möglichen Nebenwirkungen und damit verbundenen Anstrengungen schaffen zu können.

Ebenso sinnvoll ist es, die eigenen
Kräfte einzuteilen und gut damit hauszuhalten. Das heißt, das zu tun, was einem gut tut, etwas wobei man „den Kopf frei bekommt“, wobei und womit man sich wohl fühlt und natürlich auch mit wem. Achten Sie dabei auch auf ihre psychische Abwehrkraft: also alles abzuwehren, nein zu sagen zu allem und jedem, was/wer einem im Moment nicht guttut und derzeit zu viel Kraft kosten würde.

 

Auch wenn es zeitweise sehr mühsam und anstrengend sein kann, bleiben Sie zuversichtlich. Vergessen Sie nie, wofür Sie diesen Weg gehen – nämlich um den Krebs zurückzudrängen, klein und schwach werden zu lassen und im Idealfall wieder ganz gesund zu werden.

 

Stärken Sie Ihre Hoffnung durch Gespräche mit Betroffenen, die eine Krebserkrankung hatten, die nachvollziehen können, was das alles bedeutet und die erzählen können, auf welche Art und Weise sie es damals geschafft haben.
Marlies nennt diese Betroffenen Heilsbringer.

Expertin/Experte für sich selbst sein.

Nämlich immer ganz individuell, auf eigene Art und Weise. Die jeden Tag aufs Neue herausgefunden haben, was ihnen im Moment gut tut, was sie brauchen, was sie besser lassen sollen.
Die Vertrauen in sich selbst gehabt haben und immer noch haben und daran glauben, dass die größte Kraft des Universums in einem selber steckt und dass man es schaffen kann.

 
So wie Marlies schreibt:
Das hilft mir.
Ich will das.
Das ist der Anfang vom Ende der Krankheit.
Ich will das mit jeder Faser meines Körpers.

 

 

Jedes Mal, wenn ich meinen Erfolg vor meinem geistigen Auge vorstelle, kommt er leichter zu mir.“ (Liah Kraft-Macoy)

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Helmuth Schagerl (Dienstag, 14 Dezember 2021 10:21)

    Danke,Marlies!

  • #2

    M (Dienstag, 14 Dezember 2021 11:28)

    Liebe Marlies, danke für diesen Beitrag. Er macht mir Mut und Hoffnung. Du bist diesen Weg bereits gegangen und ich werde ihn auch gehen. Ich hoffe ebenfalls so stark und zuversichtlich wie du. Eines weiß ich genau, unsere innere Verbindung wird durch "unsere Schicksale" noch weiter wachsen.
    Hab` dich lieb M.

  • #3

    Sabine (Mittwoch, 15 Dezember 2021 05:46)

    Liebe Marlies, deine Worte kommen auch bei mir Nichtkrebskranken mit einer Wucht und Kraft an. Die Liebe zu dir selbst und zu den Deinen, zu allen Betroffenen ist die stärkste Macht um deine Anliegen zu vermitteln, das spüre ich.

    Alles Gute und viel Kraft an M! Und H! Und K! Und dir° .... Sabine