Ch-ch-ch-changes! - Teil 2

Es geht wieder los.

Jedes Jahr das gleiche Spiel.

 

Warmer Frühlingstag. Ich gehe von draußen nach drinnen, zum Beispiel in einen Supermarkt. Oder in die Straßenbahn.

Meist dauert es nur ein paar wenige Minuten.

Es beginnt mit einem Kitzeln auf der Stirn... und dann passiert es: Meine Hautporen öffnen sich langsam und unheilvoll (wie die Bruteier aus "Alien" etwa) und die ersten salzig-wässrigen Tropfen brechen sich Bahn.

Sweat! (A-la-la-la-la-long!)

Mit jeder Sekunde werde ich unruhiger, fahriger... das Kribbeln nimmt am ganzen Körper zu, und bald will ich am liebsten nur noch RAUS.

Wenn dann noch der natürliche Feind einer jeden Schwitzattacke hinzukommt - die Klimaanlage - wird es besonders brenzlig. Dann heißt es: Irgendwo in der Straßenbahn eine Stelle finden, wo einen nicht der Eisfön anbläst und für zumindest eine Verkühlung sorgt.

Also irgendwann raus aus dem Bus.

Im Hochsommer bedeutet das jedes Jahr, aus einem Gefrierschrank auszusteigen und sich in der Hitzehölle wiederzufinden. Und umgekehrt.

Ist schon für normale Leute nicht lustig, aber für jemanden wie mich, der ein kaputtes Thermostat eingebaut hat, ist es die ultimative Challenge.

 

Dabei gehöre ich noch zu den Glücklichen, die weder ihre Kleidung auswringen noch mit klatschnassen Haaren herumlaufen müssen. Minutiöse Planungen von Kleidungs-Zwiebelschichten und Panik vor Achselschweißflecken kenne ich nicht.

Ich schwitze - und dann höre ich auf zu schwitzen. Dann fange ich wieder damit an, und es lässt wieder nach. Bis der Spaß von vorne beginnt.

Man gewöhnt sich daran.

 

Die innere Unruhe, die sich dabei einstellt, hat wohl mit einem subjektiv gar nicht mehr konkret wahrnehmbaren "Hitzegefühl" zu tun. In den ersten Monaten der Antihormontherapie bin ich da noch wie ein wandelndes Fieberzäpfchen die Wände hochgegangen. Heiß, heiß, HEISS! Nach 2-3 Minuten vorbei. Das habe ich jetzt nur noch maximal einmal am Tag. Die Schweißdrüsen sind dagegen weit öfter aktiv.

 

Ich hefte das Ganze ab unter dem Register "Was-ich-in-Kauf-nehmen-muss".

Es gibt Schlimmeres.

Okay, es ist nicht ganz so spaßig, wenn man zum Vorstellungsgespräch geht und hofft, dass man eher durch eine eloquent-kompetente Art und Weise auffällt und weniger durch eine schweißglänzende Stirn oder Oberlippe.

Es ist nicht so super, wenn man für eine Klausur lernt und das Schreibpapier sich feucht unter den Unterarmen wellt.

Oder wenn die Arbeitsbrille siebenundneunzig Mal in der Stunde vom Nasenrücken in Richtung Nasenspitze rutscht.

 

Auffallend war mir auch immer das mangelnde Hineinfühlenkönnen meines Umfeldes in so manchen Fällen, wenn man in Gereiztheitszustände verfällt, weil man nicht spontan und persönlich für Erlösung sorgen kann ("Was, du musst jetzt raus? Warum musst du jetzt raus?"), und während  die knochentrockene Stirn des Gegenübers kritsch Falten schlägt, geht mir einfach alles am Oa....

 

Ja, es ist heraußen, denn das ist das nächste Übel:

Die Stimmung ist in etwa so stabil wie ein Dreijähriger, der zum ersten Mal auf einem Spielzeug-Tretroller steht.

Als zum Beispiel vor ein paar Jahren auf dem Weg zu einem Open-Air-Konzert mein Handy den Geist aufgab, ich mich kurzzeitig mit meiner Schwester gestritten hatte und ich mich generell wieder mal wie eine Außerirdische fühlte (wie eine Außerirdische mit Locken zwar, in dem Moment, aber halt wie eine Außerirdische), gellte ein impulsiver Schrei von den Waldhängen wider, der mir spontan von den Lippen sprang wie ein übermütiges... nun ja, Reh.

"L.M.A.A." nämlich, und zwar "ALLE"!

 

Aber das kam selten vor.

Außer in Gedanken. Da schon öfter. ;-)

 

Und sonst?

Hartgummiartige Finger- und Fußnägel. Leider wieder glatte Haare, aber dafür mit Geheimratsecken.

Halt - das ist alles nicht der Antihormontherapie zuzuschreiben, dafür viel eher mit einer Chemo-Spätfolge.

Aber da kann ich schon wieder abwinken. Alles nicht so dramatisch. Im Vergleich zu vielen anderen ehemals Erkrankten bin ich noch gut davongekommen.

 

Auch mit der Antihormontherapie.

 

Ich wiederhole es gerne noch einmal.

Ich bin froh über die weitere Möglichkeit, ein eventuelles Wiederauftreten der Erkrankung zu verhindern, und auch wenn jeder Wald- und Wiesen-Naturheiler die Hände überm erleuchteten Kopf zusammenschlägt, was meinem Körper (dessen Weiblichkeit ich gefälligst nicht zu verleugnen wagen sollte) durch diese Chemiebomben angetan wird - ich würde es jederzeit wieder tun.

 

Namaste, meine schwitzige Seele!

 

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