Sometimes it's hard to be a woman *

 * Tammy Wynette - "Stand By Your Man"

Heute ist der 9. März - gestern war der Weltfrauentag und heute ist völlig logisch der Tag der Barbie.

Ja, es ist wahr! Echt mega, oder?

Die hübsche, dauerlächelnde, superschlanke, biegsame (jetzt wird's sexistisch, ich weiß) Lieblingspuppe vieler Mädchen.

Ich starrte als Kind ständig in diese verpeilt-harmlosen, eigentlich nur aufgeklebten Augen ... weil meine Schwester ihr Reich (= ihr Zimmer) mit den berühmten Puppen bevölkerte und man überall drüberstolperte.

 

Ich brach Barbie gern die Knie.

 

Ja, ja, so war ich. Ich schrieb es ja eben: Sie ist biegsam und so konnte man ihr knirschend die Knie anwinkeln, damit sie am Teetischchen Platz nehmen und dort aus ihrem Teetässchen schlürfen konnte.

Was hatte Barbie so zu tun den ganzen Tag? Im Plastik-Wohnmobil durch die Plastik-Gegend cruisen, mit einer Plastik-Yacht über den blauen Plastikfolien-See schippern und am Ende des Tages serviert sie dem strammen Ken (mit den ebenfalls aufgeklebten Augen, aber leider ist er ziemlich kastriert, der arme Kerl) ein nahrhaftes Plastik-Mahl.

Barbie.

Einfache, schöne Spielzeugwelt.

 

In dieser bunten Traumblase gibt es keinen Platz für die alltäglichen Probleme richtiger Frauen, und das ist ja auch gut so. Warum soll sich ein 6-jähriges Mädchen damit herumschlagen, dass man eh nie soviel verdient wie ein Mann, an den unmöglichsten Tagen und in den unmöglichsten Situationen zu menstruieren anfängt und dass ein Frauenbauch niemals so hart und unnachgiebig sein wird wie der einer - nun ja - Barbie-Puppe?

 

Das wahre Leben einer Frau sieht völlig anders aus (und Ken meist auch, sehr zum Leidwesen vieler meiner Geschlechtsgenossinnen).

...

Jetzt glaubt ihr, ich schwadroniere mir gleich einen langen Monolog über das harte, schwere Los von Maximilliane Musterfrau zusammen, stimmt's?

Falsch.

Was weiß ich denn schon?

Wie 100%ig weiblich fühle ich mich denn schon?

Nicht mal 80%.

Auch nicht 70%.... 60%....

Pendeln wir uns irgendwo drunter ein.

"Non binary" heißt das Zauberwort - oder "nicht binär", und ich fühle mich damit zwar hinreichend beschrieben, mag aber - wie aufmerksame LeserInnen wissen - mich nicht gerne mit Schubladisierungen befassen.

Was das ist? Just google.

I am what I am - das wusste schon Gloria Gaynor.

 

Dieses Nicht-festlegen-wollen hat mir während meiner Erkrankung sehr geholfen, das muss ich unumwunden zugeben.

Es hat mich den in meinem Fall unvermeidlichen Haarverlust nicht nur gut ertragen lassen - ich fand die Zeit sogar spannend und war ständig dabei, meine Kopfhaut zu befummeln.

Ich war auch in der glücklichen Lage, dass die Tatsache, dass ich meine Brust verlieren würde, für mich keine Vollkatastrophe bedeutet hat. Ich war der Pragmatismus in Person und sah nur den Vorteil, dass ein möglicher "Nistplatz" für weitere Karzinome deutlich reduziert werden würde.

Was weg ist, ist weg. So einfach war das.

Mir ist eins bewusst: Eine solche Aussage ist ein Schlag ins Gesicht für viele Frauen, für die eine solche Situation einen unglaublichen, schmerzvollen Einschnitt in ihre weibliche Identität bedeutet.

Ich habe Respekt und Verständnis vor dieser Einstellung und dieser Empfindung, und es liegt mir fern, mich darüber lustig zu machen.

Dennoch kann ich eben nur von meinem Standpunkt aus über meine Gedanken und Gefühle sprechen, respektive schreiben.

Es war für mich nicht schlimm, und ich weiß, dass das ein Segen war.

 

Ein Brustaufbau war nur ganz am Anfang in meiner Vorstellung ein Thema. Doch als mir allmählich klar wurde, dass ich mich nicht zu "maskieren" brauche, damit andere Menschen in ihrer Vorstellung, wie eine Frau nun mal optisch auszusehen hat, nicht behindert werden.

Es ist mein Körper, in dem nur ich mich wohlzufühlen brauche.

Heute sehe ich manchmal, wie irritierte Blicke über meinen Oberkörper wandern und - wieder einmal - versucht wird, mich einzuordnen.

Hallo? Wenn nicht mal mir das gelingt (muss es auch nicht), wie soll es dann jemand anderem gelingen? ;-)

 

Eine Zeitlang - kurz nach der 2. Brust-OP, als plötzlich tatsächlich die ultimative Flachheit regierte - war plötzlich Transidentität ein Thema.

Für eine bestimmte Zeit war ich verwirrt. Ich im falschen Körper? Kann es sein? Bin ich eigentlich ein Mann? Hat erst der Brustkrebs diese verschütt gegangene Tatsache ans Tageslicht befördert?

(Das wäre doch tatsächlich mal ein Stoff für einen reißerischen Tatsachen-Roman oder wenigstens eine Netflix-Serie, oder?)

Aber Entwarnung: Nein, kein Mann. Nicht trans.

Dazu fehlte mir zudem der Leidensdruck, dieses "Nicht-haben-wollen" des biologischen Körpers.

Ich mochte meinen Körper ja. Ich wollte ihn nur nicht in irgendeine Nische packen und mich in dieser Weil-ich-ein-Mädchen-bin-Komfortzone häuslich niederlassen.

Ich fühle mich selten wirklich weiblich, aber auch selten wirklich männlich.

Na und? Es gibt Schlimmeres. Ich muss es wissen.

Dann halt das Non binary-Dingens und einfach eine Schneise in alle möglichen Wege schlagen. Passt ja auch! Erlebt man mehr, und es erweitert den Horizont.

Alles gut.

 

Nun, da ganz bestimmt keine Barbie mehr aus mir werden wird (bitte, das geht ja schon alleine figurtechnisch nie und nimmer!), kann ich mich entspannt und frei um mein eigenes Leben kümmern und muss nicht ständig die Männlein-Weiblein-Pylonen umkurven.

(Ich war mal in einem Frauenzentrum, wurde nach meinen Sternzeichen gefragt und bekam prompt eine auf den Deckel, weil meine Antwort "Wassermann" lautete. Autsch, Oida. Oder eben... nicht Oida.)

Ich stelle mir das Leben als Frau - als "Klischee-Frau" auch anstrengend vor. Ich stehe beispielweise nicht jeden Tag vor der Versuchung, mir für die Arbeit die hochhakigsten Pumps anzuziehen zu

müssen wollen. Dafür würde ich mit Schuhgröße 43 wohl auch einen Waffenschein brauchen.

Ich muss außerdem (Vorsicht, Augenzwinkern!) meinen Mann nicht bekochen, wenn er von der besser bezahlten Arbeit kommt. (JEDER Mensch sollte froh sein, von mir nicht bekocht zu werden.)

Ich muss mir keine Chippendales ansehen (Kennt die noch jemand? Das waren so halbnackige muskelbepackte Männer, die bei Shows auftraten. Shows... das sind so Veranstaltungen, die es mal gab, als Menschen noch in Rudeln zusammenkommen durften. Nein? Egal. Die hießen jedenfalls Chippendales.)

Ich muss seit Jahren keine Unsummen von Geld in zusammengepresste Watteröllchen ..äh... stecken, die mir 1x im Monat das Leben zumindest ein wenig erleichtern sollen (obwohl... hat eigentlich wirklich jemand um die Ursache gebeten?)

 

Ich muss also nicht die Frau sein, die zum Glück eh keiner von mir verlangt.

Sehr gut!

... Und weil heute ja, wie gesagt, Tag der Barbie ist, habe ich noch eine besondere Überraschung für euch.

Es gibt diverse Barbies.

Nein...  ich meine - DIVERS. Alles klar?

Hier der Beweis:

 

Quelle: www.deseret.com

Barbie is a trademark of Mattel, Inc.

 

Also bin ich jetzt auch ein bisschen Barbie.

Eine behinderte*, diverse, nicht binäre, queere Extravaganzen-Kenbarbie.

 

Ich muss jetzt Schluss machen... mir ein T-Shirt bedrucken lassen.

 

Habt einen schönen quietschrosa-bunten Puppentag!

Trinkt einen Prosecco auf mich!

 

* Doch, doch - 60% laut Ausweis

Kommentar schreiben

Kommentare: 0