Sch-bum ('s Lebn is wia a Traum) *

* Spider Murphy Gang

Es ist fast stockdunkel... nur ein paar Schemen kann ich erkennen. Ich bin in einem riesigen, hohen Raum und weiß, dass ich mich irgendwie fortbewegen muss. Ein paar Hindernisse überwinden oder so etwas Ähnliches.

Da sind ein paar Äste... oder Zweige. Wenn ich mich daran festhalte, kann ich vielleicht weitersteigen und auf diese Weise vorwärtskommen. Wohin, das weiß ich nicht, und es ist mir auch egal.

Weiter muss ich.

Zaghaft strecke ich den Arm nach links aus und versuche, einen Zweig zu erwischen. (Wie kommt eigentlich ein Baum in einen Raum?)

Vielleicht sollte ich mein Gewicht ein bisschen verlagern. Meine Fingerspitzen streichen über ein paar Blätter und versuchen sie zu greifen. Es gelingt mir erst nicht, aber schließlich umfasse ich einige von ihnen und überlege, ob ich einen großen Schritt in diese Richtung machen soll oder einen kleinen.

Plötzlich knipst jemand das Tageslicht an.

Meine Hand verliert die Blätter wieder, und mit Schrecken stelle ich fest, dass die Zweige viel zu dünn gewesen wären, um mein Gewicht zu tragen, wenn ich einen Schritt....

.... einen Schritt....

 

Ich habe keinen gemacht, und oh-oh-oh-oooh... das war auch gut so.

Ich blicke links an mir herunter und sehe den bodenlosen Abgrund, der sich auftut.

Ich erkenne, dass ich auf einem Berg/einem Gerüst/einem Gebäude stehe und dass ich kurz davor bin, zu fallen.

Mit klopfendem Herzen presse ich meinen Rücken an die Wand hinter mir (wo kommt die auf einmal her?) und beschließe, nicht die geringste Bewegung mehr zu machen... am besten nicht mal mehr zu atmen.

Ich will nicht fallen.

 

Wieder mal.

 

***

 

Man könnte nicht gerade behaupten, ich würde unkreativ träumen.

Der "Hilfe-ich-muss-aufpassen-wohin-ich-steige-sonst-falle-ich"-Traum ist seit meinen Kindheitstagen in variabler Form immer wieder gekommen. Manchmal mit jahrelangen Pausen dazwischen.

Interessanterweise brechen die Träume immer an der spannendsten Stelle ab, was heißen soll: Ich falle nie.

Zögerlich stehe ich immer irgendwo oben, überlege wohin ich meine Schritte setze, um das Schrecklichste zu vermeiden. Ich fühle mich wie meine eigene Schachfigur, bei der ich minutenlang überlege, wohin der nächste Zug geht.

Nur eines ist gewiss: Setze ich den falschen Schritt, geht es abwääääääärts.

Aber soweit kommt es ja nie.

(Nicht dass ich enttäuscht wäre, aber....)

 

Ich bin bestimmt ein Klassiker für jeden Traumforscher, für jeden Psychiater und vor meinem geistigen Auge sehe ich die Experten eifrig den Schreibblock zücken, um mittels Deutung meine verschütteten Ängste und Traumata aufzudecken.

 

Ah ja, Traumata... da war doch was.

Da bietet sich eine Krebserkrankung doch perfekt an.

Nur...

 

... jetzt kann der Schlaf- und Traumforscher den Block enttäuscht wieder sinken lassen, denn:

 

ICH HABE NOCH KEIN EINZIGES MAL VON MEINEN KREBSERKRANKUNGEN GETRÄUMT.

 

Bis dato.

Ja, es ist wahr.

Nicht in der Akutphase (in der es völlig verständlich gewesen wäre, denn man muss ja verarbeiten) und auch nicht in der Regenerationsphase (in der es ebenfalls total logisch gewesen wäre, denn jetzt muss man ja erst recht verarbeiten).

Und in der Gegenwart auch nicht - noch immer nicht.

 

Was verdränge ich da?

Nun, ich glaube - nichts.

Ich denke, das Thema wurde in meinem Kopf und in meiner Psyche schon so oft durch die Mangel gedreht, dass ich es offenbar nicht (mehr) nötig habe, mittels Träumen meinen eigenen Verarbeitungsfilm zu drehen.

Außerdem - hey, ich blogge. Noch mehr Verarbeitung.

 

Freilich bin ich auch kein Albtraum-Mensch - das Kontingent wurde in meiner Kindheit offenbar verbraucht.

Wieder hätte jeder Psychologe seine Freude mit mir, wenn ich neben dem "Doch-nicht-fall-Traum" von einer weiteren repetitiven Träumerei erzähle:

 

Da bin ich, und da ist ein Stein.

Okay, es ist ein großer Stein... ein riesiger, genau genommen.

Eigentlich ist es ein richtiger Felsen.

Zumindest wird der Stein zu einem Felsen, als ich mich plötzlich (von wem auch immer) gezwungen sehe, diesen hinunterschlucken zu müssen. Einen kleinen Stein, der plötzlich zu einem Felsen anwächst und an dem ich fast ersticke.

 

Ich bin nicht sicher, aber vielleicht wurde dieser Traum "geboren" als ich ein paar Jahre alt war und eine Mumpserkrankung durchstehen musste. Sehr naheliegend, mh?

 

Heute träume ich jede Nacht.

Welch Überraschung - das weiß doch jeder, dass jeder Mensch jede Nacht träumt. Man kann sich nur nicht mehr an alle erinnern, wenn man wieder wach ist.

Nur an besondere, und da sind es oft nicht mehr als "Traumfetzen".

Wie letzte Nacht, als ich meinen Herzenshund, der nun bald seit einem Jahr nicht mehr da ist, in einem Traum besuchte... oder viel mehr: Sina besuchte mich.

 

Sie liegt unter einer Art flachem Baldachin und sieht mich mit ihren wachen, schwarzen Augen an.

Ich spreche sie an, mit allen Kosewörtern, die mir einfallen (und die ich nur mit ihr verbinde), und ich strecke die Hände in ihre Richtung aus.

Sie ist freudig aufgeregt, wie immer, wenn sie mich sieht, und sie robbt auf dem Teppich (wie immer) auf dem Bauch vorwärts, auf mich zu... und ich weiß:

Gleich bette ich meinen Kopf auf dem Teppich, und Sina wird um mich herumwuseln, ihr Fell wird mich kitzeln, ihre Zunge über meine Wange lecken, und ich werde lachen und mich freuen.

 

Als ich wach wurde, hatte ich dieses bittersüße Gefühl, das einen beschleicht, wenn man erkennt: Es war nur ein Traum.

Ich war mit einem Mal tieftraurig wegen des Verlusts, der immer noch schmerzt (manchmal wie am ersten Tag) und dann wieder hatte ich gleichzeitig ein seltsam ruhiges Gewissheitsgefühl:

Es geht ihr gut... da, wo sie jetzt ist.

 

Ob ich nun fast falle... ob ich einen Felsen schlucken muss... oder geliebte Wesen, die ich gehen lassen musste, mich besuchen -

- Träume sind schon etwas Spannendes.

Mehr Kino im Kopf geht nicht.

Es muss auch nicht immer gleich ein oscarverdächtiges Krebsdrama sein. Diese Filme können mir ohnehin gestohlen bleiben, aber das ist schon wieder eine andere Geschichte, die vielleicht ein anderes Mal erzählt wird.

 

 

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