Zum Kotzen

Manchmal, wenn ich an den Wochenenden oder spätestens Anfang der darauffolgenden Woche langsam aber sicher an den nächsten Blog-Beitrag denken muss, tun sich die Themen ganz spontan auf.

Wie auch vorhin.

Ich beschloss, mir einen Tee zu machen und öffnete die Schranktür, um eine meiner 27 Teesorten auszuwählen.

Meine Wahl fiel auf - Kamille.

 

Bäh.

 

Das heißt... früher "Bäh".

Jetzt nicht mehr.

Und da ist es auch schon: das Thema.

 

Wieder einmal wühle ich in meiner Vergangenheit (was ein gefundenes Fressen für Psychologen aller Art sein dürfte, aber okay... ;-)).

 

Kamillentee.

 

Der Tee meiner Kindheit, wenn ich krank war. Und ich war OFT krank, daher hat man mir das Zeug literweise angediehen.

Überhaupt gab es in meiner früheren Kindheit (also Mitte/Ende der Siebziger Jahre) scheinbar nur drei Teesorten, die in der öffentlichen Wahrnehmung präsent zu sein schienen:

Schwarzer Tee (nix für Kinder), Hagebuttentee (na gut, wenn nix anderes da ist) und eben: Kamillentee (das Höllengetränk für wehrlose Kinder).

 

Ich muss gestehen: Der Geruch triggert mich immer noch, auch wenn ich diesen Tee mittlerweile wieder recht gern trinke.

Früher aber bedeutete der Duft nach Kamillenblüten nur eins:

Krank sein.

 

Es hat mich schon frühzeitig immer wieder erwischt: Als einst mal sehr zartes (ja, glaubt man heute kaum) Kind betrachtete ich die große weite Welt häufig in einem eingeschränkten Sichtfeld vom Bett aus.

Durchschrieene Nächte und der Inhalt meiner Windel ließen darauf schließen, dass man es mit einem exzentrischen, mimosenhaften Kleinkinddarm zu tun hatte. Für meine Eltern - vor allem für meine Mutter - war das wohl nicht so lustig, aber ich wette, ich hatte auch nicht unbedingt viel Spaß aufgrund meiner Eingeweidekrämpfe...

 

Auch so war ich nicht unbedingt robust. Die üblichen Kinderkrankheiten streckten mich allesamt (bis auf Röteln) nieder, und die Masern reichten mir einmal nicht... bei denen gönnte ich mir einen Relaunch - und zwar mit so "blühenden" Flecken, dass der Hausarzt nach dem Hausbesuch zurück in die benachbarte Praxis eilte, eine dunkelblaue Matratzenwand herbeischaffte, hinter mein Bettrefugium klemmte und ein Foto von mir mit voll ausgeprägten Masern machte. Für sein Diagnosebuch. Gut, dass es damals noch kein Instragram gab.

Wer weiß, vielleicht kursiert das Foto noch irgendwo. Somit gab es schon früh ein Fast-Akt-Foto von mir. Ob das wohl heute was wert ist? ;-)

 

Ich stand das alles tapfer durch, obwohl es mir wirklich oft elendig ging. Prinzipiell fehlte ich in Kindergarten und Schule immer an den Wandertagen, was mich so manches Mal bitterlich weinen ließ.

Nur eines war mir zutiefst zuwider: Den Mageninhalt rückwärts nach oben und heraus befördern zu müssen. Also, auf gut Deutsch: KOTZEN. Das war noch schlimmer als die Übelkeit davor, und kaum etwas war so gut und erleichternd wie das zurückkehrende Wohlbefinden "danach".

... Außer, wenn man NUR noch dasitzt und in den Kübel schwallt, den man mit den dünnen Ärmchen umfasst hält.

So geschehen während meiner Scharlach-Erkrankung, die mich wochenlang so richtig ausknockte.

Ich weiß noch, wie schlagartig das losging, während ich im Wohnzimmer meiner Tante Inge in Wien saß, bei der wir zu Besuch waren. Es lief gerade der Abspann eines "Stan & Ollie"-Films, als mir von einer Sekunde zur anderen schlecht wurde.

Und zwar RICHTIG schlecht.

Ich erspare euch jetzt Details, aber man konnte mir gerade noch die Kleidung vom Leib reißen und mich als Ganzes in die Badewanne befördern, bevor der ...ähm... Horror losbrach.

Danach folgten Tage mit hohem Fieber und Brechdurchfall, so dass man mich - ich war erst 4 oder 5 Jahre alt - im Krankenhaus untersuchen ließ. Ich kann mich noch an die "Perspektive" erinnern, auf Papas Arm, als wir Richtung Klinik gingen und wie schlecht es mir ging.

Unverrichteter Dinge wurden wir einige Zeit später wiedergeschickt, weil sich niemand meine mysteriöse Krankheit erklären konnte.

Ein weiterer Versuch wurde bei einem ländlichen Kinderarzt unternommen, aber da kamen wir aufgrund militanter Eltern nicht mal bis ins Wartezimmer (Ansteckungsgefahr!!).

So harrte ich also im Flur vor dem Wartezimmer aus, rollte mich - schwach und ausgelaugt (Patientin X halt) - in meinem blauen Adidas-Trainingsanzug zu einer Kugel zusammen und harrte der Dinge.

Die kamen dann in der knapp-knackigen Aussage des besagten Kinderarztes nach nur kurzer Untersuchung:

"Eh kloar - Scharlach."

Und zwar in höchst ausgeprägter Form, denn wenn ich was mache, dann ordentlich.

 

Es dauerte lange, lange und noch länger, bis ich wieder einigermaßen wiederhergestellt war.

Nicht mal meiner Oma blieb das Elend erspart, denn als ich mal bei ihr war und sie mich zu Bett brachte, gab sie mir die eindringliche Bitte zu verstehen, doch "bitte nicht auf die frisch bezogene Tuchent" zu reihern.

Ich versprach's.

Sie ging und machte die Tür hinter sich zu.

...

BUÄÄÄÄÄÄRP.

Über die gesamte Tuchent.

Denn wenn ich was mache, dann... ihr wisst schon.

(Aber ich hatte mir Mühe gegeben.)

 

Na ja. Kinder sind robust, und so entwuchs auch ich diesen typischen Anfälligkeiten.

Mein Erwachsenenleben wurde von nicht mehr und nicht weniger als den typischen Immer-wieder-mal-grippalen-Infekten und Magen-Darm-Viren (darf man das heutzutage noch schreiben? Viren?) begleitet.

Nichts Besonderes also.

 

Bis mit knapp 40 Jahren dann der Krebs "BÄM" sagte.

Aber das wisst ihr ja schon.

Ironischerweise war während der gesamten Erkrankungszeit (fast) nichts mit Übelkeit und Erbrechen.

Da hatte ich wohl schon als Mini-Marlies mein Kontingent aufgebraucht.

Wundern würde es mich nicht.... ;-)

 

🤢

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