"Doctor, doctor, oh the mess I'm in"*


* "Doctor, Doctor" - UFO

Foto: Universal Music
Foto: Universal Music

"Dr. Frank, Dr. Frank, Sie sind doch der Arzt, dem die Frauen vertrauen."

"Nach bestem Gewissen, meine Liebe. Was kann ich Ihnen - als selbstverständlich meine einzigste Patientin - denn heute Gutes tun?"

"Ich habe Schmerzen, Herr Doktor."

"Oh, das berührt mich jetzt aber wirklich im Innersten. Wo denn genau?"

"Na, hiiiääärrrrrr. Spüren Sie's?"

"Natürlich. Ob es nun um Hühneraugen oder Gehirnchirurgie geht - ich weiß Bescheid."

"Sie sind der Beste, Herr Doktor. Sind Sie eigentlich verheiratet?"

"Nein, ich habe die Richtig bisher noch nicht getr-"

 

Gott sei Dank gibt es sie, die Fernsehärzte.

Im Idealfall sind sie jung, fesch und auch noch kompetent.

 

Dr. Brinkmann schafft buchstäblich alles, während er sich in gemächlichem Tempo durch die Schwarzwaldklinik bewegt, undramatische Eingriffe im OP-Saal durchführt - begleitet von den ewig röchelnden und dumpf piependen Maschinen, die eher wie Fabrikmobilar klingen als nach Hightech. (Aber Hightech war da ja auch noch nicht so wirklich das Thema.)

Zum Glück darf Klauuus nach getaner Arbeit im schönen Luxus-Landhaus die bestrumpften Beinchen hochlagern und sich von der devoten Haushälterin Frau Michaelis und natürlich auch von seiner dauergrinsenden Gattin Christa bedienen lassen. Und dann ist da auch noch der smarte TV-Sohn Udo, dargestellt von Sascha Hehn... natürlich auch Arzt und mit einer vertrauenserweckend-tiefen Stimme gesegnet.

 

Oder Bergdoktor Martin Gruber, der nur die ganz mysteriösen Fälle, die erst in letzter Sekunde gut ausgehen, behandelt, und der zwischendurch nur ganz rudimentär Zeit für seine wechselnden Frauen (Überblick habe ich schon lange verloren) hat. Der Wilde Kaiser sorgt als Berg nebst der atemberaubenden Tiroler Landschaft für romantische Stimmung - das ist wohl die nötige Inspiration, die "der Martin" braucht, um sich nicht nur als Wald-und-Wiesen-Arzt zu betätigen, sondern gleichzeitig auch noch als Mikrochirurg und Seelenklempner. Die Rechnung geht auf!

 

Dr. House wiederum muss, um erfolgreich zu arbeiten, nicht mal freundlich sein, sich nicht rasieren oder gar so etwas wie Dienstkleidung tragen, die Bülowbogen-Praxis ist sicher auch ganz super (hab' ich aber nie geschaut), das Helikopter-Personal von "Medicopter 117" hat förmlich nur mit dramatischen Fällen zu tun, und Dr. Grey, Dr. Doug Ross usw. sind in ihren Ambulanzen und Abteilungen auch bestimmt nie unterfordert. Immerhin bleibt noch Zeit für Liebeleien, städtische Katastrophenzustände und Amokläufe in monatlichen Abständen.

 

Die ärztliche Film- und Fernsehwelt ist meist dramatisch, aber unterm Strich fast immer behaglich ... zumindest in der Schwarzwaldklinik oder in Ellmau. Ansonsten passt die kühle Optik von Städten wie Chicago oder Seattle auch wunderbar zur schwitzigen Hemdsärmligkeit der unterbezahlten Notaufnahme-Pfleger.

 

Selbstverständlich geht es auch in Arztserien nicht immer nur um Fußpilz und quersitzende Blähungen. Oft genug haben es die gebeutelten MedizinerInnen mit seltenen Syndromen zu tun, die sich in den Körpern der beklagenswerten PatientInnen (die in ihrem Leben auch sonst meist gerade irgendein Beziehungsdrama austragen) ansiedeln und erst in allerletzter Sekunde showdownreif ausgemerzt werden. Oder aber die Serien-Autoren sind voll die fiesen Hunde und schreiben in die letzten Minuten der Folge oder einfach mitten zwischendrin noch einen shocking-dramatischen Abgang hinein.

 

Letzteres ist eine Spezialität von "Grey's Anatomy", und JA... ich habe während der langen Wochen meiner Chemotherapie genüsslich auf dem Sofa eine Episode nach der anderen verzehrt. Einige Staffeln lang - jene, die es bis dahin auf DVD gab.

Auch wenn's nicht immer super war, die Charaktere mitzubegleiten, während die wegen streuenden Melanomen, fußballgroßen Tumoren und multizentrischen "Metastasen-Zuständen" dahinsiechten und eben auch oft starben.

Manch einer mag das Masochismus nennen.

Ich nenne es, heute mit Abstand, "Konfrontationstherapie".

 

Denn auch wenn es mit der Wirklichkeit meist überhaupt nichts zu tun hat, was da gezeigt wird, so nahm es mir doch etliche Unsicherheiten, Ängste (bei mir wurden die Ängste jedenfalls nicht größer) und machte all das, was ich durchmachte und noch zu erwarten hatte, "a little bit familiar".

 

Es ist, als würde man den Finger auf eine Zahnfleischwunde legen und ein bisschen "rubbeln" - schmerzt ein wenig, tut aber auch irgendwie wieder gut.

 

Außerdem fühlte ich mich sonderbar solidarisch mit Izzy oder anderen PatientInnen, wenn die da mit Glatze im Bett saßen - und ich eben auch. Gerade, dass ich nicht grinsend die Faust in die Luft reckte und "Wir sind verbunden, im Angesicht des Schweißes, Schmerzes und der wunden Darmschleimhaut! Hail Chemo!" rief.

Auch die überdramatischen Operationen in den Seattle'schen Aufschnippsel-Sälen potenzierten meine Bedenken bezüglich meiner vor mir liegenden Mastektomie in keinster Weise.

 

Aber - Schuster, bleib bei deinen Leisten! Irgendwelche grindig-alltäglichen, deutschen Vorabendserien im Live-Laugh-Love-Style sollten sich dem Thema Krebs, meiner Meinung nach, besser nicht annehmen. Das kann böse schiefgehen oder andernfalls wahlweise für Kopfschütteln und Lachsalven sorgen.

Meine Schwester machte mich auf eine Storyline in "ihrer" Serie aufmerksam, die mit meiner Krankheit zu tun hatte, und ich schaute mir neugierig ein paar Folgen an.

 

Heruntergebrochen auf die Darstellungen in ähnlichen Formaten geht das dann beispielsweise so:

 

Frau ertastet einen Knoten in der Brust. Frau geht zum Arzt (sie bekommt natürlich sofort und auf der Stelle einen Termin oder braucht nicht mal einen), der Doktor biopsiert an Ort und Stelle und schickt die Probe sofort ins Labor. EINEN (!) Tag später hat die Frau das Ergebnis, das bösartig ausfällt. Alle nötigen Parameter sind natürlich gleich mitbestimmt worden und die Frau beginnt förmlich UNVERZÜGLICH mit der Chemotherapie. Sie sieht immer super aus, ihre Glatze (die sie tapfer in Kauf nimmt) ist regelmäßig gleichfärbig und ohne Stoppeln, und die Frau hat meist auch einen formschönen Hinterkopf. Nach wenigen Wochen ist - schwupps - der Krebs weg und die Frau hat ihn bald vergessen. Abspann.

 

Ja, natürlich gibt es auch noch die Blass-und-abgemagert-im-Bett-liegend-Varianten, aber in den Vorabendserien ist das dem sensiblen Publikum meist nicht zuzumuten. ;-)

 

Irgendwie ärgerlich, das Ganze - vor allem, wenn es in die verharmlosende Richtung geht und/oder mit Klischees spielt (okay, eigentlich spielt es fast immer nur mit Klischees).

Dennoch, unterm Strich, wird ja wohl kein Mensch vergessen: Das ist nur eine Serie. Fiktion. Unterhaltung.

 

Daher beugte sich auch kein Sascha Hehn über meinen OP-Tisch (ich hätte ihn eh nicht gewollt... mir wäre Dr. Arizona Robbins lieber gewesen).

Kein Dr. Brinkmann streichelte mir mit dem altersfleckigen, behaarten Handrücken väterlich über die Wange.

Kein Dr. House, der mit dem Gehstock auf mich deutete und mich als "unnötige Atemluftverschmutzerin in diesem Krankenhaus" bezeichnete.

Kein Dr. Gruber, der mit seinem olivgrünen Mercedes jede noch so weite Fahrstrecke auf autoleeren Landstraßen auf sich nahm, nur um mir das Fieber zu messen und mit mir über meine Probleme zu reden.

 

Doch auf meiner Haben-Seite stehen dafür:

 

+ "die beste Dermatologin der Welt", die mir seit 8 Jahren mit Rat und Tat zur Seite steht, die immer ein offenes Ohr hat, sich Zeit nimmt und ein großer Fan meines Blogs ist :-)

 

+ "die beste Onkologin der Welt", die mich 2012 und 2013 intensiv und kompetent als meine "Verbündete" durch die Erkrankung begleitete, die stets die richtigen Entscheidungen getroffen hat und die ich nach wie vor halbjährlich wiedersehe (bald das nächste Mal)

 

+ "der beste Gynäkologe der Welt", der mich mit seiner "Wohlfühl-Praxis" für sich eingenommen hat und mir nun auch schon etliche Jahre mit seinem (prä-Corona)Händedruck und dem freundlichen Lächeln die Besuche fast zum Vergnügen macht

 

+ "der beste HNO-Arzt der Welt", mit dem ich nicht nur beruflich zusammenarbeite (und das in erfolgreicher Weise), sondern bald auch privat als Patientin. (Meinen Nebenhöhlen zum Dank. ;-))

 

+ all "die besten Ärztinnen und Ärzte" in meinem Krankenhaus, die mich begleiteten, untersuchten, informierten, trösteten, mit mir lachten, plauderten, mir Mut gaben, Kraft, Zuversicht - und all ihr medizinisches Wissen und ihre Menschlichkeit.

 

Da kann kein George Clooney mithalten.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Monika (Donnerstag, 14 Januar 2021 20:23)

    Großartig, wie du die Fernsehärzte beschrieben hast. Ich hab mich köstlich amüsiert. Wie wunderbar, dass die besten Ärztinnen und Ärzte so real und so nah sind.