Ich will mein Leben zurück!!!1!!

Hallo.

....

Wie?

Oh ja, es stimmt - ich bin heute spät dran.

Tut mir eh leid.

 

Wie kommt's?

Nun, das kann ich euch sagen.

Der Tag gestern... oh bitte! Die spinnen ja alle. Wisst ihr, wovon ich rede? Na klar wisst ihr's.

Hallooooo? Der Tag vor dem harten Lockdown.

An dem all die Herden-Lemminge nochmal schnell shoppen gehen mussten, bevor die Welt untergeht.

Mein Arbeitsplatz befindet sich gewissermaßen in einer "Schneise" zwischen zwei Einkaufszentren, die zwar etwas weiter auseinanderliegen, aber wir befinden uns in etwa in der Mitte zwischen beiden.

Gestern am späten Nachmittag ging gar nichts mehr. Autokolonnen voller bestimmt gereizter Personen, die noch ganz dringend zum Möbel- und Flat-TV-Kauf wollten. Muss man ja Verständnis haben!

Auch bei uns im Geschäft war viel los. Am Vormittag hing ich pausenlos am Telefon, und auch sonst lief ich herum wie ein... äh... angestochener Löwe. Nicht mal eine richtige Mittagspause war mir vergönnt (na gut, ich hab' sie freiwillig verkürzt, weil eben soviel zu tun war, aber ohne Klammerbemerkung klingt es einfach dramatischer).

Und dann diese Maske!

Lasst mich mal bitte jammern...

Diese MASKE!

Dieses EffeffPähZwei-Ungetüm, bei dem man nach spätestens 5 Minuten Tragen anfängt mit den Augen zu rollen, weil man kaum Luft kriegt. Dazu fängt die Haut drunter zu jucken an, und schwitzen tut man auch.

Der Bundeskanzler hat leicht reden, der versucht mir ja sogar mein eh schon dürftiges Sozialleben vollendes zu stehlen.

Treffen Sie niemanden.

Am A....

 

Echt... es ist so SCH.... - ALLES!

Verdammtes Corona, ich will mein Leben zurück!!

 

Ich könnte kotzen.

Ich könnte..... nur..... noch......

....

.... innehalten und feststellen, dass es zwar oftmals wirklich nicht einfach ist, und wir alle auf eine harte Probe gestellt werden, und natürlich möchte jeder am liebsten, dass alles wieder so ist wie früher... oder zumindest so, wie man es gewohnt ist.

 

Was nun?

Heulen oder weitermachen?

 

Ich könnte mich 24 Stunden am Tag darüber beschweren, dass es so anstrengend ist in der Arbeit, mit der Maske und all dem Abstand und den erschwerten Bedingungen.

Ich kann aber auch daran denken, dass ich überhaupt eine Arbeit respektive Ausbildung habe.

In Zeiten wie diesen nicht selbstverständlich.

 

Ich könnte mich drüber aufregen und (zumindest innerlich) drüber lustigmachen, dass die Möchtegern-Kardashian, die am Tag-vor-dem-Lockdown mit zehn Luxus-Mode-Einkaufstäschchen die Straßenbahn betritt, nicht alle Latten am Zaun hat.

Ich kann aber auch daran denken, dass mich das im Grunde kalt lässt, denn ICH muss mich ja nicht so verhalten wie sie.

 

Ich könnte einen Zorn kriegen, wie verantwortungslos die Leute generell agieren und unbedacht und abstandslos, mit Maske auf Halbmast, herumflanieren.

Ich kann mir aber auch bewusst machen, dass jeder mit dieser "neuen Realität" auf seine Weise zu kämpfen hat und jeder so agiert, wie es für ihn am besten ist... und in Köpfe kann ich nicht reinsehen.

 

Ich könnte mich darüber ärgern, dass trotzdem überall so viel los ist... Autos, Menschen....

aber ich kann auch feststellen, dass es mich nicht direkt betrifft. Ich kann es ja anders machen - abseits von bevölkerten, ausgetretenen Pfaden.

 

Ich könnte mich permanent darüber beklagen, dass ich vom ständigen Masketragen außerdem abends immer so müde bin (Sauerstoffmangel), mir die Augen oft tränen und ich das mit dem Abnehmen nicht so richtig hinkriege.

Ich könnte mich so richtig rumpelstilzchenmäßig darüber ärgern.

Ich kann mir aber auch vor Augen halten, dass ich gesund bin.

Dass ich ein Dach über dem Kopf habe.

Dass ich Strom und eine warme Heizung habe.

Dass meine Existenz nicht gefährdet ist und ich nicht ängstlich in die Zukunft blicken muss, weil mein Arbeitsplatz nicht gesichert ist.

 

Ich weiß: Nicht jedem, nicht jeder geht es so, gerade auch was die gesundheitlichen Aspekte betrifft, aber auch in anderer Hinsicht.

Umso mehr ist es wichtig - so sehr mich auch manchmal alles frustriert, ärgert und ankotzt - zu wissen:

Es gibt Schlimmeres.

Ich werde da wieder rauskommen.

Wir werden da wieder rauskommen.

.... Und niemals, niemals möchte ich ihn vergessen, diesen oftmals überstrapazierten, modernen, aber doch sehr wahren Begriff mir immer wieder selber bewusst zu machen:

Dankbarkeit.

Solange ich diese jeden Tag aufs neue spüre, kann gar nicht alles verloren sein.

 

 

Diese Erkenntnisse sind freilich nicht neu, auch für mich nicht.

Und doch brauche auch ich manchmal einen kleinen Anstoß, mich an diese essentiellen Dinge (wieder) zu erinnern.

Wie letztens in der Arztpraxis meiner sehr geschätzten Dermatologin - die hat (wie ich bestimmt schon mal erwähnte) einen Engel als Assistentin/Organisationsfachkraft ("Sprechstundenhilfe" würde ihr einfach nicht gerecht werden):

Diese erinnerte mich nämlich, als ich gerade so richtig über Gott, Corona und die Welt zu sudern beginnen wollte, an all das so ganz beiläufig. Und wie sie recht hat!

Manchmal brauch' ich das.

Danke, Susi! ;-)

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Wache über dich (Dienstag, 17 November 2020 22:07)