ACHT

Hey, heut' ist wieder einer der verdammten Tage, die ich kaum ertrage und mich ständig selber frage, warum mich all diese Gefühle plagen, die ich nicht kannte oder nur vom Hörensagen...

 

So beginnt mein Lieblingssong von den Fantastischen Vier, aber zum Glück lässt sich sagen, dass "sie" zwar "weg" ist, aber ich noch da.

 

ACHT Jahre ist der Anruf eines Arztes her (20.09.), und damit wurde eine Kette von Ereignissen in Gang gesetzt, die mich - ich geb's ja zu - ein bissl aus der Kurve fliegen ließen.

 

An dieser Stelle bremse ich jedoch hier und jetzt nochmal ab, denn das wird kein tränendrüsenwürgender Was-ich-alles-vom-Leben-gelernt-habe-Exkurs.

Ich möchte meinen, KEIN Survivor nimmt es für selbstverständlich, dass er/sie dem Schnitter von der Schippe gesprungen ist, und was ich vom und über das Leben gelernt habe seitdem, das ist viel und es ist in großen Teilen schon bekannt. Schließlich lest ihr ja diesen Blog regelmäßig, nicht wahr? ;-)

 

Daher lieber ein paar Kreuz-und-quer-Gedanken zu meinem Jubiläumstag bzw. was mir rundherum so einfällt.

 

Zum Beispiel zum Foto hier. Entspannt stehe ich in der herbstlichen Landschaft, und es ist mir an der Nasenspitze ganz bestimmt nicht anzusehen, dass ich bis zum Anschlag voll bin mit Freundin Taxotere.

Jawoll, die erste Chemoladung fließt zu diesem Zeitpunkt bereits durch meine Adern ("Anstich" war am Tag davor), und meine Freundin durfte mich für einen Tag aus dem Krankenhaus entführen, was wir - wie man sieht - optimal genutzt haben. Mir ging's auch noch ziemlich gut, und ich sollte erst am nächsten Tag die ersten Nebenwirkungen in Form von Zehenschmerzen verspüren.

Okay, das hat sich alles dann schon im Oktober abgespielt - ziemlich genau einen Monat nach der Hiobsbotschaft. Dennoch... an diesen - wirklich schönen Ausflug - denke ich auch am heutigen "Jubiläumstag" immer noch gern.

 

Ich bin ja mit der Zeit draufgekommen, dass ich angefangen habe, die Zeit in "Vorher" und "Nachher" einzuteilen. Kein Wunder - es handelt sich um einen solch deutlichen Einschnitt ins Leben, dass er die Gegenwart von der Vergangenheit abzutrennen scheint.

Würde man mich fragen, ob ich nochmal in der Zeit zurückreisen wollen würde, um vielleicht etwas zu ändern - irgendwas - um ES vielleicht zu ändern, zu verhindern, vielleicht schon früher mit dem Rauchen aufzuhören, nur noch Pflanzenfasern zu fressen und zu sämtlichen Göttern zu beten.

Nun, vielleicht hätte es was gebracht - vielleicht aber auch nicht. Vielleicht gibt es aber auch rosa Elefanten auf dem Mars.

Das ist nicht das, womit ich mich im Nachhinein beschäftige... mit dem "Was wäre gewesen, wenn..."

Fakt ist: Ich hab's gekriegt.

Was der Grund war, und ob es "den" oder "die" Gründe überhaupt gibt: Es interessiert mich nicht. Dieser Teil ist einfach vorbei. Wichtiger ist das, was kommt, und genau genommen eigentlich nur das, was JETZT ist. (Muss' ich mich auch immer wieder daran erinnern... an Letzteres.)

 

Acht Jahre, das ist eine ziemlich lange Zeit. Kommt mir eher vor wie Achtzig. ICH komm' mir auch manchmal vor wie Achtzig. Besonders, wenn ich versuche, einen Beipackzettel, den Fahrplan oder einfach nur mein deppertes Handydisplay zu lesen, und meine Brille gerade nicht finde... aber ups - ich hab' ja schon drei: Gleitsicht, Computer-Arbeits-Brille und Lesehilfe.

 

Acht Jahre - so alt ist auch mein Neffe Leo. Er wurde geboren, kurz bevor ich die Diagnose bekam. Meine Schwester hat mir verzweifelte Stunden oft versüßt, indem sie mir immer die neuesten Babyfotos vom kleinen Prinzen schickte. :-) Und ich... ich freute mich und beschloss, mir alle Mühe zu geben und ihn aufwachsen zu sehen. Da bin ich immer noch dabei. Mittlerweile trägt der junge Herr sein Haar schulterlang, zeichnet wie ein Wilder und hat die schönsten haselnussbraun-grünen Augen der, äh, Welt. (Oder? Schwester? :-))

 

Acht Jahre bedeutet auch, dass mein Körper nicht mehr so aussieht wie "vorher". Womit ich recht wenig hadere, wie man mittlerweile mitbekommen haben dürfte. Mit der Zeit wurden die Narben zahlreicher - damit habe ich immerhin jene (zu dem Zeitpunkt) 39 Jahre aufgeholt, die ich narbenfrei geblieben war.

 

Acht Jahre, und "so ist es nun mal auf dieser Welt, auch wenn's dir nicht gefällt, schaust du deinen eigenen Film und bist dein eigener Held".

Ach ja... danke, Fanta 4!

Danke an das Leben, dass ich immer noch hier sein darf,

danke an euch da draußen, die ihr das lest,

danke der Krebshilfe... Peter, Karin, Monika, Pia und all ihr wunderbaren Menschen "meiner" Gruppe,

und jetzt... puh, jetzt hab' ich mich reingerasselt - wo bin ich hier? Bei der Oscarrede?

Da Dankesreden meist übersprungen werden (denkt an die allerletzte Romanbuchseite!), ziehe ich das fetteste, ehrlichste und herzhafteste D A N K E einfach vor und bedanke mich vor allem

 

bei mir selbst, denn auch das gehört gesagt:

 

 

DANKE an mich, weil:

 

Das hab' ich echt ziemlich gut gemacht bis hierher. :-)

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