Von Eidechsen und Wundern

Als ich letzten Dezember das Grab einer tödlich verunglückten Schulfreundin besuchte, kam ich hinterher verändert zurück.

Kennt ihr das? Es gibt manchmal Erlebnisse im Leben, die der Anstoß für einschneidende Veränderungen im Innen und Außen sind. Gleichzeitig hütet man dieses Erlebnis wie einen Schatz, den man nur mit wenigen, ausgewählten Menschen teilen möchte.

Einerseits, weil einiges daran - für manche - unglaublich erscheinen mag.

Was mich natürlich nicht kümmert.

Und andererseits, weil dieses besondere Ereignis noch lange nachschwingt und sich erst kleine Schräubchen zu drehen beginnen - und dann ganze Riesenzahnräder sich bewegen.

Der Kopf wird plötzlich völlig klar. Eine Flamme entzündet sich und lodert bald wie ein wildes Feuer. Entscheidungen werden gefällt - mutige und weitreichende. Nicht nur wegen dieses einen Erlebnisses, aber zu einem großen Teil spielt es eben schon eine Rolle.

 

Und nein - ihr erratet es bereits: Ich werde es hier nicht aufschreiben. Kein Schulterklopfen, kein fishing for compliments, kein Raunen und kein Beifall ist mir das wert.

So sorry.

 

Warum ich euch dennoch hier mit einer elendslangen Einleitung den Mund wässrig mache?

Weiß ich nicht.

Ich habe für meinen heutigen Beitrag kein Konzept. Ja... das gibt es. Mal sehen, wohin es mich treibt.

 

Es mag daran liegen, dass ich an einem inneren Konflikt knabbere, in dem ich einerseits konsequent meinen Weg gehe und Chancen ergreife, womöglich aber indirekt auf Kosten eines anderen Menschen. Nicht meine Schuld und Verantwortlichkeit... aber trotzdem.

Und dann habe ich vom Gesundheitszustand einer lieben Freundin erfahren, fühle mich dadurch niedergeschmettert (aber hey... wie mag es erst ihr ergehen?) und verfluche das Scheiß-Schalentier wieder einmal.

 

Da ist er wieder, der innere Kampf: In mir tobt das Glück, während andere Menschen in tiefste, schwarze Abgründe fallen.

Darf ich das?

Natürlich - das würde jeder wohlmeinende Mensch sagen, und so wurde es mir auch schon gesagt.

Aber das lässt den bitteren, papptrockenen Geschmack im Mund nicht verschwinden...

Kein Nerv für Dankbarkeits-Gouvernanten, aber auch nicht für aufmunterndes "Es ist schon alles in Ordnung so".

Manchmal ist es das nämlich einfach nicht.

 

In all dieser Konzeptlosigkeit fällt mir dieser besondere Mensch ein, der seit über einem halben Jahr für das eigene erkrankte Kind kämpft, sich selbst zurückstellt und alles gibt.

Ich weiß, du liest diesen Blog... und es ist alles in Ordnung, wie es ist.

 

Seit ich dieses ach-so-geheimnisvolle Dezember-Erlebnis hatte, sind etliche Knoten aufgegangen.

Zum Beispiel blieb ich auf dem Weg zum Bachelor (nein, nicht zu dem im Fernsehen) bereits im

1. Semester abrupt stehen und fragte mich:

"Was mach ich hier?

Will ich das?

Ist DAS mein Weg?"

 

Wie ich mittlerweile weiß, ist er es nicht.

Es ist ein anderer... zum Glück, und hätte es diese mutige, weitreichende Entscheidung nicht gegeben, dann stünde ich nicht da, wo ich jetzt bin.

Ich bin jeden einzelnen Tag dafür dankbar. Ganz ohne Gouvernante.

 

Aber bevor ich jetzt diesen Beitrag mit noch mehr ominösen Worten beende, werde ich dennoch eine kleine Begebenheit mit euch teilen, die sich erst vor ganz kurzer Zeit zugetragen hat.

 

Ich kehrte wieder an DEN Ort vom Dezember zurück und besuchte das Grab von W. im Kamptal ein zweites Mal.

Ich gebe zu - ich wartete unbewusst darauf, dass wieder etwas Besonderes passierte.

 

Und so war es dann auch.

 

Ich trat vor das Grab dieses Menschen, den ich nicht gut genug gekannt hatte und mit dem seit einigen Monaten doch ein besonderes, unsichtbares Band existierte.

Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung nahe meines linken Fußes wahr, blickte nach unten und sah eine sehr große blaugrüne Smaragdeidechse von hinten, an meinem Bein vorbei, auf das Grab und schräg darüber huschen.

Ich hatte noch nie so ein schönes Tier dieser Art gesehen.

Die Eidechse verharrte am oberen Ende (am "Kopfende") des Grabes, wandte sich um und sah mich an. Damit meine ich, dass sie mir direkt in die Augen blickte.

Ich blieb erst reglos stehen und ließ mich dann langsam auf die steinerne Einfassung des Grabes nieder. Eigentlich hätte das so ein scheues Tier in die Flucht schlagen müssen, aber die Eidechse änderte weder ihre Körper- noch ihre Kopfhaltung.

Erst nach zwei oder drei Minuten huschte sie über den Rand des Grabes und verschwand hinter einem anderen Grabstein.

Beeindruckt von der Schönheit dieser Eidechse, wurde mir erst später bewusst, dass ich schon wieder ein (kleines) Wunder erlebt hatte.

 

Wunder - ja, das gefällt mir. Ich glaube, nach diesem Wort habe ich seitdem gesucht.

 

Und - ha! - schon ist es da: das Konzept.

 

Mir ist es gleich, ob dieses Tier zufällig über das Grab gelaufen ist oder nicht. Die Antwort habe ich für mich selbst schon längst gefunden... vor einigen Monaten schon, und ich halte sie immer wieder in meinen Händen, betrachte sie und erfreue mich daran.

Und deshalb werde ich auch nicht aufhören, auf weitere Wunder dieser Art zu hoffen. Es gibt sie da draußen... sie wollen nur gefunden werden.

Wir brauchen sie alle.

 

Ich hoffe, sie werden für dich da sein.

Und ganz besonders auch für dich.

 

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    dein Papa (Dienstag, 14 Juli 2020 13:46)

    deine Funken wirken noch lange nach!