Die letzten 7

,Jede "Raucherkarriere" startet irgendwann irgendwo. 

In meinem Fall war das im Jahr 1987 auf dem Schulklo. Verleitet durch "Probier's doch auch mal"-Sprüche und dem unvermeidlichen Gruppendruck, wenn man 14 Jahre alt ist. Also versteckte ich mich gemeinsam mit anderen in den großen Pausen in Toilettenkabinen, um ganz lässig Rauchwölkchen in die Luft zu paffen (Inhalieren musste ich noch üben). Die Zigarettenmarke der Wahl war natürlich gleich mal eine der stärksten und "angesehensten" - jene, die von toughen Cowboys als "der Geschmack von Freiheit und Abenteuer" beworben wurde. 

Nun, frei fühlte ich mich ganz und gar nicht, hinter verriegelter Klotür, aber abenteuerlich war es auf alle Fälle, wenn man vor lauter Qualm kaum noch was sehen konnte und einen jederzeit ein Aufsichtslehrer erwischen konnte.

 

Ferner konnte man unsere jugendliche Konstitution nur als robust bezeichnen, denn in den Skikurs-Herbergen saßen wir abends in Pyjamas auf Fensterbrettern, die nackten Füße baumelten über Schneewehen und die zitternden (vor Kälte? vor Furcht?) Finger hielten - na klar! - einen "Tschick". 

 

Ein Jahr später wurde meine "kleinkriminelle" Schülerkarriere von einer zum Glück relativ kurzen Phase des Schulschwänzens unterwandert, und ich saß an Vormittagen dummdreist in Kaffeehäusern herum oder versteckte mich in Stadtparks. Dabei hatte ich stets entsetzlich schmeckende Zigaretten mit Kohlefilter, die ich meiner Mutter aus dem Schrank gemopst hatte, und die ich nun Kette rauchte.

Ja ja, ich habe es nicht nötig, mich besser hinzustellen als ich war. ;-) In mir schlummerte halt ein Nikotin-Revoluzzer, der dachte, das Rauchen gehöre zum Coolsein zweifellos dazu. Da war ich ja nicht die Einzige... und damals war die Qualmerei halt wirklich noch allgegenwärtig.

 

Man lasse sich zum Beispiel auf der Zunge zergehen, dass Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger das Rauchen in vielen städtischen Einrichtungen nicht nur nicht verboten war, sondern man auch im wahrsten Sinne des Wortes nicht daran vorbeikam.

In einem gar nicht mal so kleinen niederösterreichischen Krankenhaus musste man sich nach Betreten durch den Haupteingang erst einmal durch Rauchschwaden kämpfen, weil man direkt in den Buffetbereich kam. Wenn man dann hinten bei den Aufzügen angelangt war, die zu den Stationen und Abteilungen führten, stank man schon nach Qualm. Voll normal damals - heute undenkbar...

 

Als ich 16 wurde und offiziell rauchen durfte, ging der verbotene Reiz zwar verloren, aber die Sucht hatte mich schon voll im Griff (und Inhalieren hatte ich freilich in der Zwischenzeit auch längst gelernt).

 

Über die Jahre rauchte ich mal mehr, mal weniger. Ich war noch keine Dreißig, da schaffte ich es mit Hilfe eines damals bekannten Rauchstopp-Ratgebers, mir die Zigaretten tatsächlich abzugewöhnen, weil das kleine Schalterchen im Hirn umgelegt werden konnte, das mir suggerierte:

Hmmmm... Rauchen.... schmeckt gut, tut gut, ist voll geil.

Das ging immerhin zwei Jahre lang gut - ich brauchte da auch meine Lungenpower für's Fußballspielen - aber dann gelangte ich über den mondänen Umweg des Zigarillo-Rauchens wieder zur ordinären Filterzigarette zurück.

 

Nein, ich habe nie gern geraucht. Selten saß ich zufrieden in der Sonne, Ziggi in der einen, Kaffeebecher in der anderen Hand und genoss das Leben. Der Gestank, der Geldverbrauch, die gesundheitlichen Auswirkungen - mich hat das alles die meiste Zeit gestört. Aber loskamen tat ich dann doch nicht davon. Es war wie mit einer langwierigen Beziehung, die sich längst totgelaufen hat: Stop - go - stop - go ... aber der endgültige Absprung, der verpuffte im Nikotin- und Teernebel.

 

Aber dann saß ich auf einmal 2012 an einem lauen Septemberabend im Innenhof eines Linzer Krankenhauses auf einer Bank. Der bis dato beschissenste Tag meines Lebens neigte sich dem Ende zu. Am Folgetag sollte ich wegen Hautkrebs operiert werden und vor wenigen Stunden hatte man zusätzlich noch einen mutmaßlichen Krebs in der Brust entdeckt. Kurz: Ich stand an meinem persönlichen Abgrund.

Ich brauchte eine Zigarette.

Nein, mehr als eine.

Ich hatte aber keine. Nachdem ich am Vortag meine Krankenhaustasche gepackt hatte, war die letzte aufgerauchte Zigarette im Aschenbecher abgemurkst worden.

Aber. Jetzt. Brauchte. Ich. Eine. Zigarette.

Meine damalige Lebensgefährtin ging - weil ich es selbst nicht schaffte - zu einem in der Nähe befindlichen Raucher und schnorrte einen oder zwei Tschick.

Zurück kam sie mit sieben.

Den letzten 7.

 

Ich rauchte sie alle.

Eine nach der anderen.

Hintereinander.

Dann dämpfte ich ohne Pathos und ohne dem Gefühl, gerade einen historischen Moment zu erleben, aus und war Nichtraucherin.

Bis heute übrigens.

Entzugserscheinungen gab es keine... ich war ja mit der "Kleinigkeit" einer Krebsbehandlung in der Folgezeit schwer beschäftigt.

 

Habe ich mich je gefragt, ob mein Zigarettenverbrauch dazu beigetragen hat, dass ich Krebs bekommen habe?

Nein. Weil ich mich mit den Gründen generell kaum auseinandergesetzt habe und Fragen wie "Warum ich? Warum jetzt? Warum dieser Krebs? Und jener auch noch?" in meinem Kopf keine Runden drehten. Antworten gibt es darauf sowieso keine eindeutigen, und warum mit der Vergangenheit kämpfen, wenn man die Gegenwart (und damit vielleicht auch die Zukunft) ändern kann?

 

Und das ist es jetzt auch schon.

Wie jetzt?

KEIN erhobener Zeigefinger? KEIN Aufzählen der so wichtigen Gründe für einen Rauchverzicht? KEINE Fotos von Raucherbeinen?

Sollte so ein Krebsblog nicht eigentlich seinem Bildungsauftrag nachkommen und moralische Instanz spielen?

 

Ich verrat's euch....

 

 

 

 

NEIN.

 

Beschwerden bitte an die Krebshilfe Oberösterreich. ;-)

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Kommentare: 2
  • #1

    Rösi (Dienstag, 21 Januar 2020 07:40)

    Hat mir sehr gefallen !
    Ich freu mich schon auf dein erstes Buch ! ����

  • #2

    Marlies (Dienstag, 21 Januar 2020 15:30)

    Dankeschön!
    Buch? Na, vielleicht klopft ja mal ein Verlag an - wer weiß? ;-)