"Das wird schon wieder!"


 

BULLSHIT-BINGO!

 

Kennst du das?

 

Bei langweiligen Seminaren und Besprechungen kann man sich die Zeit ganz lustig vertreiben, indem man auf typische, meistgehörte Standard-Sätze ("Das ist nur ein Denkanstoß.", "Wir müssen ergebnisorientierter arbeiten.") wartet und sie auf einer selbst erstellten Liste ankreuzt. Wer als erstes drei Sätze erraten hat, ist der Sieger. YEAH!

 

Gibt es übrigens auch für Krebs. Der/die eine oder andere von uns ist sicher schon in sozialen Netzwerken darüber gestolpert und musste deswegen schmunzeln.*

Im Grunde ist es eine (schwarz)humoreske Auseinandersetzung mit Phrasen und Sätzen, die uns als Betroffene und Angehörige immer wieder unterkommen.

Sätze, die wir manchmal gut annehmen können (na ja - eher selten).

Sätze, die wir unkommentiert abnicken (aber eher ungern).

Sätze, die uns innerlich mit den Augen rollen lassen (das schon öfter).

Und Sätze, die uns manchmal sogar kränken und aggressiv machen können.

 

Es sind Sätze, die - wie anzunehmen ist - nett gemeint sind, aber meist verschiedener Arten von Unbedachtheit, Verlegenheit, übermotivierter Hilfsbereitschaft und oft auch einfach nur ANGST entspringen.

Zu häufig klingt das dann einfach nach Floskel, rausgepickt aus einem Wort-und-Phrasen-Fundus verbaler Trösterleins. Nur wird oft nicht bedacht, wie das bei der erkrankten Person ankommt.

 

"Du schaffst das schon." (...."Ähm, ja, so wie du das sagst, klingt es wie eine Lappalie.")

 

"Aha - die rechte Brust ist betroffen? Du hast ein Mutterthema, du musst das nur lösen." (.... "Oder war's ein Vaterthema? Hmm... Gut, dass wir das geklärt haben.")

 

Den Vogel hat bei mir einmal eine Arbeitskollegin abgeschossen, als ich der alten Tätigkeitsstätte einen Besuch abstattete. Nach einem Blick auf mein kugelrundes, rotbackiges (Cortison-)Gesicht und die ganz und gar nicht abgemagerte Figur entfuhr ihr ein deutlich hörbar überraschtes:

 

"Du schaust ja gesund aus!?"

 

Gut, sie hatte es nicht böse gemeint. ;-) Und vermutlich hatte sie nur - wie viele von uns - klischeehafte Vorstellungen von dahinsiechenden, blassen, dünnen PatientInnen im Kopf. Die es zweifellos auch gibt - aber eben nicht nur.

Ich habe es ihr nicht krumm genommen. Da ich zu der Zeit mental ziemlich stabil war, hat mich eine Bemerkung wie diese auch nicht gestört. Im Gegenteil - ich war eher amüsiert.

 

Es liegt jedoch auf der Hand, dass das nicht in jedem Fall so ist.

Wenn man im tiefsten Tal der Verzweiflung ist und nur noch eine schwarze Wand vor sich sieht, dann bringt ein lapidar dahingestottertes "Wird schon wieder!" ganz bestimmt nicht die ersehnte Erleichterung.

 

Wenn man für sich gerade zu sortieren anfängt, wie man die nächste Stunde, den nächsten Tag, die nächste Woche überleben soll, ohne völlig zusammenzubrechen, ist es mehr als kontraproduktiv, wenn man gesagt bekommt: "Meine Nachbarin hatte das auch - die ist zwar gestorben, aber bei dir muss das ja nicht so sein."

Na, vielen Dank.

 

Wenn sich der eigene Körper (und selbstverständlich auch die Psyche/Seele) mit den Nebenwirkungen einer Chemotherapie/Bestrahlung oder den Nachwirkungen einer Operation auseinandersetzen muss, fühlt man sich eventuell gefrotzelt, wenn es heißt: "Schluck einfach diesen von Mönchen gesegneten, sündhaft teuren, in Tablettenform gepressten, taiwanesischen Ameisenbär-Kot, und der Tumor zerfällt praktisch von selbst."

 

Ich weiß, das klingt jetzt alles lustig - jedoch ist es das nicht immer.

Je nachdem, in welcher Phase des Weges, auf dem man sich befindet, mit diesen Aussagen quergegrätscht wird, reagiert man aktiv oder passiv unterschiedlich darauf. Mit Schock, Kränkung, Unverständnis, Ärger, Unwillen. Und auch die Menschen, die uns so etwas präsentieren, stehen in unterschiedlicher Beziehung zu uns. Vielleicht sind es (fast) Fremde (Floskelalarm!), aber vielleicht auch nahestehende Personen, die in ihrer Hilflosigkeit alles richtig machen wollen... und dann passiert doch das Gegenteil.

Kann ich übrigens ausschließen, dass mir ein Verlegenheits-Statement selbst schon passiert ist?

Nein, kann ich nicht!

 

Auf eine so lebensbedrohende, eben oft tödliche Erkrankung wie Krebs (Gänsefüsschen!)adäquat(Gänsefüsschen!) zu reagieren, wenn man nicht selbst betroffen ist, ist mitunter eins der schwierigsten Dinge überhaupt.

Ganz ohne Bullshitting-Humor ist das ein Thema für sich, das ich in einem meiner nächsten Beiträge bestimmt noch einmal aufgreife.

 

Was hilft also, wenn Tante Berta uns das Knie tätschelt und wieder mal erzählt, dass ihr auch schon die Haare ausfallen seit sie fünfzig ist und das doch eh nicht so schlimm sei?

Vielleicht soll/kann/darf man einfach offen sagen - wenn man es denn schafft - dass solche Aussagen nicht hilfreich sind und man sich vielleicht etwas anderes wünscht. Oder auch einfach nichts. Einfach da sein, zuhören, empathisch sein.

 

Womöglich hilft heute dieses am meisten, morgen dann aber auch wieder jenes. Ein anderer Mensch, der es nur gut meint, kann nicht in uns hineinsehen. Jedoch kann es sicher nicht schaden, unsere Bedürfnisse und auch die Nicht-Bedürfnisse mitzuteilen, womit jeder Seite geholfen wäre. Und dann verstummen die flapsigen Kommentare und "Tipps" eventuell von selbst...

 

.... und jetzt muss ich schnell googeln, ob es in Taiwan überhaupt Ameisenbären gibt.

 

*Schmunzeln? Kann nicht jede/r - ich weiß. Der geschätzte blog-lesende Mensch sei in Bezug auf meinen manchmal mit mir durchgehenden schwarzen Humor schon mal vorgewarnt (sofern nicht eh schon bekannt). Selbstverständlich sei an dieser Stelle dennoch erwähnt, dass es nicht darum geht, sich über jemanden oder etwas lustig zu machen.

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0