Lichtblick

 

 

Ich habe Krebs.

 

Das ist eine Gewissheit, die wie ein Vorschlaghammer mitten auf's Gesicht zielt.

Meist bleibt keine Zeit zum Luftholen oder gar zum Verarbeiten dessen, was man gerade gesagt bekam.

 

So ist es, wenn einen die Diagnose völlig überraschend trifft.

 

Meine erste - das Melanom - hat mich aus heiterem Himmel erwischt. Trotz der Muttermal-Entfernung eine Woche zuvor hatte ich keinen Gedanken an so etwas wie Krebs verschwendet, zumal sowohl der damalige Hautarzt als auch der chirurgische Facharzt meinten, das sei sicher was Harmloses.

 

„Das sehe ich von weitem, dass das NIX ist“, meinte der Dermatologe damals.

„Ich habe mehr als 30 Jahre Berufserfahrung.“

Nachsatz: „...Aber wenn es Sie so beunruhigt, lassen wir es halt entfernen. Hier ist die Überweisung.“

 

Der Rest ist Geschichte.

 

Die zweite Diagnose – das Mammakarzinom – war nach dem Ultraschall-Zufallsbefund dann abzusehen. Darauf war ich also nicht ganz so unvorbereitet.

Was es jedoch in keinster Weise leichter machte, weil sich ja an am „Endergebnis“ nichts änderte.

 

Eine gewisse Erleichterung brachte jedoch die unmittelbare Hilfe, für die ich sorgte.

 

Ich hole daher heute die Krebshilfe Oberösterreich vor den Vorhang, die mir zudem seit bald zwei Jahren die Gelegenheit gibt, mich unter ihrer „Schirmherrschaft“ kreativ in meinem Blog auszutoben.

 

Genau weiß ich es nicht mehr, wie es ablief bis zu meinem ersten Gesprächstermin in der Krebshilfe in der Linzer Harrachstraße. Ich habe bestimmt sehr schnell nach der ersten Diagnose angerufen, kann mich aber nicht mehr erinnern, mit wem ich am Telefon sprach. Zwischen Diagnosestellung und OP lag gerade einmal eine Woche, und in dieser Zeit dazwischen bekam ich rasch die Gelegenheit, mit Mag. Monika Hartl (Psychoonkologin, Gesundheits- und klinische Psychologin) ein erstes Gespräch zu führen.

 

Rotz und Wasser heulend saß ich in dem damals etwas kleineren, aber freundlich eingerichteten Raum mit seinem Glastisch und den bequemen Sitzmöbeln.

Monika Hartl hörte mir sehr aufmerksam zu und machte sich gleichzeitig Notizen. So weit, so „normal“ und der Situation dementsprechend erwartbar.

 

Den Unterschied machte für mich das Gefühl des „Aufgefangenseins“ aus, das ich sofort verspürte. Ich wurde hier nicht bemitleidet oder mit ein paar psychologischen Standardfloskeln abgespeist, sondern von Anfang mit all meinen facettenreichen Emotionen ernst genommen.

 

Ja, ich dürfe Angst haben, und ja, es sei völlig normal, sich wie ferngesteuert, in Watte gepackt oder betäubt zu fühlen. Man kann sich nicht vorstellen, wie gut es tut, nicht sofort gegen überbordende Impulse und Gefühlszustände „arbeiten“ zu müssen oder womöglich zu hören zu bekommen:

„Ist sicher nicht so schlimm... das wird wieder.... denken Sie positiv."

 

Alles, was ich denke, ist normal.

Alles, was ich fühle, ist normal.

 

Dies zu wissen, kann ungeheuren Druck wegnehmen.

 

Das Bedürfnis, sich selbst zu helfen... sich die eigene Pein zu erleichtern, das kommt – als Überlebensmodus – ohnehin meist von ganz allein. Natürlich sind PsychologInnen wie Monika Hartl auch dafür eine wunderbar hilfreiche „Anlaufstelle“.

Doch gerade in der Zeit des ersten Schocks ist es wichtig, erst einmal zu sich zu kommen und die eigenen Gefühle wahrzunehmen und ANzunehmen.

Wir müssen als Krebspatienten lernen, dass es normal ist, sich in einer Sekunde zuversichtlich und (zumindest ein wenig) wiedererstarkt zu fühlen – und in der nächsten Sekunde hat man gedanklich plötzlich nur noch den Tod vor Augen.

Man muss, darf, soll, kann wissen, dass man sich nicht „zusammenreißen“ muss, weil die Eltern, der Partner, die Kinder, die Kollegen oder man selbst das erwarten.

 

Die eigentliche „Arbeit“ neben der (möglichen) Heilung besteht natürlich darin, psychisch und mental wieder zu Kräften zu kommen. Der traumatische Schock hält nicht ewig an.

Wichtig ist zu erkennen, dass man meist selbst genau spürt, wann es soweit ist – und es darf dauern, solange es dauert.

 

Das alles zu erfahren, sich darin bestätigt und unterstützt zu fühlen, das machte für mich persönlich diesen Lichtblick aus, den für mich das Gespräch mit Frau Hartl bedeutete … und das war erst der Anfang.

 

Ich ging noch lange Zeit mit einem stets wertgeschätzten Gefühl ein und aus und bin ja heute – wie man sieht – noch immer mit der Krebshilfe Linz „verbandelt“.

 

Tut es nicht gut zu wissen, dass man jemanden anrufen kann, wenn der Schuh drückt oder die ganze Welt zusammenzubrechen droht?

Und so nahm ich Ende September vor 9 Jahren das Handy zur Hand und wählte eine Nummer.

 

„Frau Mag. Hartl... ich habe ja gesagt, ich melde mich. … Ich weiß jetzt, warum ich Hautkrebs bekommen habe. Aufgrund der Untersuchungen wurde nun auch noch etwas in meiner Brust gefunden.“

 

In meiner Stimme schwang bereits wieder etwas Kraft und Stabilität mit – ich hatte bereits die Entstehung des „Funkens“ erlebt.

 

Möglicherweise habe ich es tatsächlich meinem heilsamen ersten Gespräch in der Krebshilfe – und damit auch meiner Gesprächspartnerin – zu verdanken, dass ich es schaffte, meine Gefühle so zuzulassen und anzunehmen und überhaupt für möglich zu halten, wie sie nun mal waren … und dass alles davon normal und nachvollziehbar war und durchlebt werden durfte.

 

Mein herzlicher Dank gilt vor allem dem für mich „heiligen Trio“ Monika-Peter-Karin in der Krebshilfe Linz, aber auch allen anderen in ganz Österreich, die – ehrenamtlich oder nicht – für uns KrebspatientInnen und Krebspatienten da sind und uns den Weg (je nachdem, zumindest ein wenig) leichter machen.

 

„Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens.“ (Jean-Baptiste Massillon)

 


BLITZLICHT - der wöchentliche Kommentar vom Beratungsteam der Krebshilfe OÖ

 

Text: Mag. Monika Hartl (Psychoonkologin, Gesundheits- und klinische Psychologin)

 


„Ich habe Krebs!“

 

Kaum eine Erkrankung löst so große Unsicherheit, Ängste und Hilflosigkeit aus, wie eine
Krebserkrankung und hat oft vorübergehend oder auch anhaltend gravierende
Veränderungen im Alltag der Betroffenen zur Folge.
Es braucht viel Kraft, Zeit und Vertrauen in das Behandlungsteam, die Therapien und vor allem in sich selbst um Schritt für Schritt mit diesem neuen, veränderten Alltag zurecht zu kommen.

 

In ganz Österreich bemüht sich ein multiprofessionelles Team der Österreichischen
Krebshilfe um die Anliegen Erkrankter und deren Angehöriger, bietet individuelle Hilfe, informiert und unterstützt Betroffene kostenlos und anonym. In Oberösterreich gibt es 14 Beratungsstellen.

Wenn Betroffene zum ersten Mal zu einem Beratungsgespräch in die Krebshilfe Oberösterreich kommen, ist etwas passiert in deren Leben. Etwas, was deren Leben auf den Kopf stellt, nichts mehr so sein lässt, wie es davor war.
Zu erfahren, dass man Krebs hat, oder ein naher Angehöriger an Krebs erkrankt ist, löst einen emotionalen Ausnahmezustand, eine Art emotionale Achterbahnfahrt aus.

 

So kam auch Marlies vor 9 Jahren zum Erstgespräch – erschüttert von ihrer Hautkrebsdiagnose, überrollt von ihren Gefühlen.
Sie hat mir von ihrer doch sehr überraschenden Diagnose erzählt und verständlicherweise sind dabei viele Tränen geflossen.
Marlies hat eine unglaubliche Gabe ihre Gefühle in Worte zu kleiden und sie konnte gut beschreiben, wie es ihr mit dieser Diagnose geht.


Es ist völlig normal Angst zu haben, sich hilflos zu fühlen, momentan nicht zu wissen wie es weitergeht und durcheinander zu sein. Es braucht Zeit zu verstehen, was die Diagnose bedeutet, es braucht Zeit das zu akzeptieren und es braucht noch viel mehr Zeit emotional damit zurechtzukommen. Und das alles geht nur im eigenen Tempo.
Allein darin bestätigt zu werden, kann anfangs schon hilfreich sein und etwas beruhigen.
So war das auch bei Marlies und ich kann mich erinnern, dass wir beide sehr schnell einen „guten Draht“ zueinander hatten.


Nach diesem Gespräch haben wir vereinbart, dass sich Marlies nach den anstehenden Untersuchungen telefonisch meldet, bzw. sich immer melden kann, wenn sie etwas braucht.
Nach 3 Wochen kam dieser Anruf und Marlies klang recht stabil. Umso unfassbarer war das, was sie berichtete, so unglaublich, dass ich es niemals vergessen werde.
Nach der Hautkrebsdiagnose wurde nun auch noch Brustkrebs diagnostiziert!!!

Marlies hat die darauffolgende Zeit der langen und auch sehr anstrengenden Therapien sehr gut bewältigt. Wir hatten noch viele Gespräche und sie hat mich sehr oft mit ihrer Kraft, ihrem Mut und ihren Bewältigungsstrategien beeindruckt.

Eine Krebsdiagnose betrifft nicht „nur“ die Gesundheit, sondern hat auch gravierende Veränderungen in vielen Lebensbereichen zur Folge. Lange Krankenstände, Angst vor Kündigung, finanzielle Einbußen, soziale Isolation, besorgte Angehörige und Freunde, verändertes Körperbild, reduzierte Leistungsfähigkeit, körperliche und psychische Erschöpfung, verändertes Aussehen und Vieles, Vieles mehr:

 

Umso verständlicher ist es, dass es alles andere als einfach ist, wieder ins Gleichgewicht zu kommen, nachdem einem der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.
Umso klarer, dass auch nach abgeschlossener Therapie nicht wieder alles wie vorher sein kann, sondern sehr, sehr viel Zeit und oft auch Veränderung braucht, um langsam – Schritt für Schritt – wieder Vertrauen und Sicherheit zu erlangen:
Umso bewundernswerter, wie Betroffene dies tagtäglich bewältigen.
Dafür möchte ich meine Hochachtung aussprechen. Für Marlies und alle, die sich dieser Herausforderung stellen müssen.

 

Man kann einem Menschen nicht den Boden unter den Füßen wegziehen und erwarten, er werde sich normal benehmen.“ (John Steinbeck)

 

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