Lass die (Bett-)Pfanne da! *

* abgewandeltes Bud Spencer/Terence Hill-Zitat

Also, da ist immer noch Blog-Platz für ein paar weitere Krankenhaus-Geschichten.

Seid ihr dabei?

Ich bin hier aber heute nur der Co-Star, denn eigentlich soll es um jene unentbehrliche Menschen gehen, die uns den Klinikalltag so erträglich und komfortabel wie möglich gestalten: die Krankenschwestern und Pfleger.

 

Apropos. Ich glaube, ich bin eine relativ pflegeleichte Krankenhaus-Patientin... so ganz allgemein gesehen.

 

Man muss halt ausklammern, dass ich im Krankenhaus - egal ob ambulant oder stationär - immer gerade dann in wasserfallartiger Redelaune bin, wenn das Pflegepersonal absolut keine Zeit zum Plaudern hat. Was man mich aber meist nicht spüren lässt, denn man will ja niemanden vor den Kopf stoßen... schon gar keine frischdiagnostizierten oder -operierten Krebspatienten.

Wenn dann also jemand wie ich zähneklappernd auf der Liege sitzt, die wenig später in die PET-CT-Röhre oder in den OP geschoben werden soll, und allerhand banalen Blödsinn daherplappert (unterbrochen nur von mindestens zweimaligem "Oh, ich glaub', ich muss nochmal auf's Klo!"), dann - tja... dann ist das vermutlich nicht immer einfach, aber vermutlich Berufsrisiko - zumindest wenn man mich "kriegt".

 

Strahlen Schwester oder Pfleger Vertrauenswürdigkeit und Ruhe aus (um Gottes Willen ja, bitte keine Hektik), dann fällt die emotional etwas überlastete Marlies wie eine reife Frucht in deren Schoß.

 

"Wissen Sie, ich hab' sowieso ja noch nie gemacht, so ein PET. Stimmt das eh, dass die Röhre nicht so eng ist? Und kann das sein, dass ich das Kontrastmittel nicht vertrage? Ich habe mal vor ein paar Jahren so einen Ausschlag bekommen... Danke, dass Sie mir das alles so ausführlich erklären, ich bin nämlich ein bisschen nervös, ich weiß nicht, ob man's merkt. Oh, geht es schon los? Ich hab' ein bisschen eine nervöse Blase. Bitte noch gaaanz kurz warten, ja?"

 

Es gibt bestimmt auch Patienten, die einen Krankenhaustermin oder auch einen längeren Aufenthalt hinter sich bringen und kaum ein paar Worte mehr als nötig verlieren. Vielen ist - verständlicherweise - nicht danach.

Bei mir ist es so, dass mir Nervosität, Anspannung und Angst offenbar gehörig die Zunge lockern. Nicht immer, aber oft.

Wenn ich schon nicht mittels kilometerweiten Fußmärschen kompensieren kann (wenn man das Bett nicht verlassen darf, geht das ohnehin nicht), dann muss eben ein loses Mundwerk her.

 

Diskussionen inklusive, übrigens.

Tag der Melanom-OP. Ich bin wieder auf dem Zimmer.

"Schwester, ich muss mal."

"Moment, ich bringe die Bettpfanne."

"Die - was?"

(Na ja, Dummerchen, was meinst du, was du sonst kriegst? Einen Schwamm?)

 

Kurz darauf.

"Jetzt einfach unter den Hintern schieben."

"Wie jetzt? Im LIEGEN?"

"Ja."

"Aber das geht doch nicht."

"Doch, das geht."

"Nein."

"Doch."

"Aber da geht doch alles daneben."

"Nein nein, das passiert schon nicht."

"Ich kann nicht."

"Ich dachte, Sie müssen?"

"Ja, a-aber..."

"Sie werden sehen, da passiert nichts."

"Doch."

"Nein."

 

Und so weiter.

Krankenschwestern brauchen bestimmt viele passende Eigenschaften. Vor allem Geduld.

 

Szenenwechsel.

Es geht immer noch um Toiletten. (Ihr kennt ja meine Vorlieben. ;-))

Schwester Sowieso erinnert mich daran, dass ich - einige Tage nach der OP - freilich noch immer nicht aufstehen, geschweige denn den Fuß runterhängen lassen darf. Wegen des Hauttransplantats nämlich.

Geht es also um einen "ausführlicheren" Toilettengang, soll ich mir in den Rollstuhl helfen - mit erhobener Beinvorrichtung, versteht sich - und mich bis zur Klotür fahren lassen.

"Frau S., nichts selbstständig machen, ja? Läuten Sie, und wir helfen Ihnen."

"Danke, Schwester. Solange ich drin alles selbstständig machen darf?"

"Dürfen Sie, Frau S., dürfen Sie."

 

Nicht, dass Ihr jetzt denkt, ich wäre da regelmäßig als renitent und generell unangenehm aufgefallen.

Wie gesagt: Pflegeleicht! (Trotz des Geplappers.)

 

Es wusste ja niemand, dass ich kleiner Revoluzzer - kaum, dass die Schwester die Tür hinter sich zugemacht hat - mich SELBER in den Rollstuhl hievte (Schmerzen und Schweiß inklusive) und SELBER zur Toilette (zum Glück direkt ans Zimmer anschließend) fuhr.

Ein Stück Autonomie.... aaaah, gut.

 

Ansonsten glaubt man nicht, wie schnell man sich daran gewöhnen kann, so umsorgt zu werden - und das sage ich jetzt völlig ironiefrei.

Denn Schwestern und Pfleger leisten oft Schwerstarbeit. Sie kümmern sich nicht nur um die teils sehr belastenden pflegerischen Aufgaben, sondern sind Ansprechpartner für nahezu alles (unter anderem als Bindeglied zu Ärzten, wenn diese nicht verfügbar sein sollten), Koordinatoren, Organisatoren und nebenbei haben Sie - trotz Zeitmangel - auch ein liebes, tröstendes Wort übrig.

 

Wie die Nachtschwester, die ich in meiner allerersten Krankenhausnacht ganz dringend gebraucht habe. Ich war verzweifelt, stand kurz vor OP Nr. 1 und am selben Tag mit einer potentiellen zweiten Diagnose konfrontiert worden.

Als ich also kurz nach meiner (bis heute) allerallerletzten Zigarette zur Station zurücktapste, war der Dienstwechsel schon erfolgt.

"Können Sie dann bitte, wenn Sie Zeit haben, zu mir kommen?"

"Was brauchen Sie denn?"

" ... Nur reden."

"Ich fürchte, dass ich wenig Zeit haben werde, und es wird bestimmt dauern, aber ich sehe, was sich machen lässt, in Ordnung? Sobald ich alle meine dringendsten Arbeiten erledigt habe, komme ich zu Ihnen."

"Danke."

 

Sie tat es - trotz all des Stresses, und obwohl das nicht ihre eigentliche Aufgabe war. (Selbstverständlich und dankenswerterweise hatte ich von Anfang an das Glück, auf psycho-onkologische Hilfe zählen zu können.)

Ich kann mich heute nicht mehr an den Namen dieser Nachtschwester erinnern.

Nur, dass sie mich auf irgendeine Weise gerettet hat - nur durch's Dasein.

 

Genau genommen weiß ich von den zahlreichen Schwestern und Pflegern, denen ich schon begegnet bin, überhaupt keine Namen mehr.

 

Aber ich erinnere mich dennoch genau an das, was sie mir gegeben haben ... die großen und die kleinen Augenblicke, die großen und die kleinen Hilfen.

 

An die beiden OP-Schleusen-Pfleger, die mich mit ihren sitcom-artigen Dialogen doch tatsächlich zum (schwachen, aber immerhin) Lächeln brachten.

An die OP-Schwester, die mich auf dem (gefühlt) langen Weg bis zum OP-Saal, die ganze Zeit mit der Hand auf der Schulter begleitete.

An den Pfleger, der mit Engelsgeduld nach dem richtigen Verbandmaterial suchte, das er mir zur Post-OP-Versorgung nach Hause mitgab.

An die Schwester, die jeden Morgen einen "Wetterbericht" abgab, wenn sie im Zimmer die ersten Tätigkeiten verrichtete.

An den Pfleger, der mit mir auf dem Weg zu einer anderen OP über meine Tattoos plauderte und dabei nicht nur Small Talk betrieb, sondern ganz offensichtlich ehrliches Interesse zeigte.

 

Sie alle haben mich gerettet, gerettet, gerettet.

Die Ärzte mögen mich behandelt und geheilt und mir neue Perspektiven verschafft haben - aber es war das Pflegepersonal, das all das erst wirklich möglich gemacht und den Weg geebnet hat.

 

Ich wünschte, sie könnten es alle lesen.

 

DANKE!

 

 

Anmerkung: Gendern habe ich mir - ihr habt's ja gesehen - einfach wieder mal gespart.

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Kommentare: 1
  • #1

    sabine (Dienstag, 05 Oktober 2021 10:57)

    ja, bravo �